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Mykola Ridnyi
15.9. – 12.11.2023

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Mykola Ridnyi, Ausstellungsansicht, Secession 2023, Foto: Oliver Ottenschläger

Mykola Ridnyi gehört zu jener Generation junger Ukrainer*innen, die in einem Klima der zunehmenden Ausrichtung auf den Westen und die Europäische Union aufgewachsen sind. Diese Emanzipation von Russland wurde in der Orangen Revolution von 2004 zum Ausdruck gebracht und im Euromaidan 2013–14 verteidigt. Damit einher ging auch die Entwicklung einer selbstbewussten ukrainischen Kunstszene, zu deren prominenten Vertreter*innen Ridnyi gehört. Schon lange vor seinem Abschluss an der Nationalen Akademie für Design und Kunst in Charkiw 2008 war er eine treibende Kraft beim Aufbau einer politisch engagierten Kunstszene, nicht nur als Künstler, sondern auch als Kurator und Autor. Er war Gründungsmitglied des Kunstkollektivs SOSka, das mit dem SOSka gallery-lab, einem von 2005 bis 2012 betriebenen artist-run space, einen wichtigen Beitrag zur künstlerischen Infrastruktur leistete. Ausgehend von seinem kuratorischen Projekt Armed and Dangerous (2017–2021) begann Ridnyi, eine Plattform für die Zusammenarbeit zwischen ukrainischen Bewegtbildkünstler*innen und Filmemacher*innen zu entwickeln. In den Jahren 2022–23 kuratierte er mehrere Screening-Programme ukrainischer Film- und Videokunst in der DAAD-Galerie in Berlin, dem MAXXI Rom, dem Museum Folkwang Essen und der Nationalgalerie in Sofia.

 

In seinen jüngsten Arbeiten beschäftigt Ridnyi sich zunehmend mit grundsätzlichen Fragen zur Rolle von Medien und der Repräsentation von Krieg. In der Secession zeigt er zwei Arbeiten, die unterschiedliche Aspekte seines Schaffens beleuchten: zum einen eine neue Videoarbeit, die aufgrund der gegenwärtigen Situation in der Ukraine unter anderen Bedingungen als gewöhnlich entstanden ist und zum anderen eine Arbeit an der Fassade, die den öffentlichen Raum miteinbezieht, der seit jeher ein wichtiges Aktionsfeld des Künstlers ist.

 

An der prominenten und vielfotografierten Fassade der Secession hängen zwei monumentale Banner, die Bilder vom Krieg in der Ukraine mitten nach Wien bringen: Eines zeigt ein von einem Raketenangriff getroffenes Wohnhaus aus dem Jahr 2014 und erinnert an den lange zurückliegenden Anfang dieses Krieges, das andere präsentiert eine Luftaufnahme von Nord-Saltivka, dem Bezirk von Charkiw, in dem der Künstler aufgewachsen ist und von dem auch der neue Film handelt. Es sind Sujets aus der Serie Blind Spot, die Ridnyi 2014 begonnen hat, zunächst mit Bildern aus dem Internet, die den Krieg im Donbass und anderen Gegenden im Osten der Ukraine dokumentierten. Wir sehen allerdings nur einen Ausschnitt, die Bilder sind „beeinträchtig“, wie durch schwere Gesichtsfeldstörungen gesehen. Blinder Fleck ist ein Begriff aus der Augenheilkunde und beschreibt einen kleinen Bereich auf der Netzhaut ohne lichtempfindliche Rezeptoren. Unser Gehirn ergänzt diese Fehlstellen, sodass wir immer schon Realität konstruieren. Ridnyi nutzt dies als Metapher für unsere Gesellschaft, die sich in einem Medienkrieg befindet.

 

Im Grafischen Kabinett zeigt er seinen neuen Film The District, in dem er sich auf sehr persönliche Weise am Beispiel seiner Heimatstadt Charkiw mit dem Krieg auseinandersetzt:

The District ist ein neuer Film, der Nord-Saltivka gewidmet ist, dem Bezirk, in dem ich während meiner Schulzeit und als Student an der Charkiwer Kunstakademie gewohnt habe. Während der russischen Invasion ab Anfang 2022 wurde diese dicht besiedelte Vorstadt zum Kriegsschauplatz und erlitt durch Artillerieangriffe erhebliche Zerstörungen. Auch wenn manche der evakuierten Bewohner*innen inzwischen zurückgekehrt sind, wirkt der Bezirk immer noch wie eine Geisterstadt. Dennoch soll es kein Dokumentarfilm über den Krieg, sondern eine persönliche Suche nach Erinnerungsspuren werden.“(1)

Vor Ort gedrehte Aufnahmen sind durch Effekte wie Pixelwolken und montierte Fotos und Zeichnungen verfremdet. Auf diese Weise koexistieren Vergangenes und Gegenwärtiges, äußere und innere Landschaften, Fakten und Erinnerung. Begleitet werden die Bilder von einer Voiceover-Erzählung: Es ist eine weibliche Stimme, die Erinnerungen des Künstlers an Orte seiner Kindheit und Jugend, die nicht mehr existieren, rezitiert.  

 

 

(1) Ankündigung auf Ridnyis Instagram-Account, 1. August 2023

Video
Ausstellungsgespräch
Publikation
Mykola Ridnyi, Publikation

Mykola Ridnyi, Publikation 

Digitale Publikation 

Mykola Ridnyi

Mykola Ridnyi, Foto: Iris Ranzinger

Mykola Ridnyi, Foto: Iris Ranzinger

Ausstellungssponsor*in

Die Dr. Éva Kahán Foundation ist Sponsor der Ausstellung von Mykola Ridnyi.




Künstler*innen
Mykola Ridnyi

1985 in Charkiw geboren, lebt und arbeitet in Kyiv und Berlin, wo er derzeit Stipendiat des Berliner Künstlerischen Forschungsprogramms der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa ist.

Programmiert vom Vorstand der Secession

Kuratiert von
Bettina Spörr (Secession)

Vereinigung bildender Künstler*innen Wiener Secession
Friedrichstraße 12
1010 Wien
Tel. +43-1-587 53 07