Die Wiener Secession ist ein Ausstellungshaus für zeitgenössische Kunst, das in der Geschichte der Moderne einzigartig ist. Hier verbindet sich ein aktuelles, in die Zukunft gerichtetes Ausstellungsprogramm mit einem Bau, dessen Architektur ikonisch für die Aufbruchsstimmung um 1900 steht. Seine Architektur ist so jung geblieben, dass sie in ihrer Funktionalität und ästhetischen Eleganz auch heute hervorragende Bedingungen für die Kunst- und Ausstellungspraxis bietet.
Das Raumkonzept der Secession ermöglicht den ausstellenden Künstler*innen unterschiedliche Formen der Nutzung. Sie werden als spannende Herausforderung angenommen, und die Auseinandersetzung mit dem Bauwerk, innen wie außen, erweist sich oft als produktiv für neue künstlerische Ideen und Konzepte, die eigens für die Secession entwickelt werden. Der großartige, mit einem Glasdach versehene Hauptraum ist in seiner Funktionalität und Flexibilität besonders für Interventionen geeignet. Das Grafische Kabinett im Obergeschoß und die aus drei Räumen bestehende Galerie im Untergeschoß des Hauses bieten weitere vielfältige Möglichkeiten für wechselnde zeitgenössische Ausstellungen, während der historische Beethovenfries von Gustav Klimt permanent im zweiten Untergeschoß präsentiert wird.
Bereits in der Gründungsversammlung der Vereinigung Bildender Künstler*innen Österreichs Wiener Secession zählte die Errichtung eines eigenen Ausstellungshauses zu den programmatischen Anliegen. Die Secessionisten beauftragten den kaum 30jährigen Architekten Joseph Maria Olbrich, damals Mitarbeiter im Atelier von Otto Wagner, mit den Entwürfen zu dem Bau, der ein Schlüsselwerk des Wiener Jugendstils werden sollte. Als Bauplatz war ursprünglich ein Grund an der Ringstraße vorgesehen. Olbrichs Entwürfe ernteten jedoch im Wiener Gemeinderat heftige Proteste. Erst nach der Verlegung des Bauplatzes in die Friedrichstraße bewilligte der Gemeinderat die „Erbauung eines provisorischen Ausstellungspavillons auf die Dauer von längstens zehn Jahren“ (Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 17. November 1897).
Die für den Bau nötigen Geldmittel wurden zum Teil von Mäzenen, vor allem dem Industriellen Karl Wittgenstein zur Verfügung gestellt, zum Teil aus dem Erlös der I. Ausstellung in der k.k. Gartenbaugesellschaft gewonnen. Die Gemeinde Wien widmete den Baugrund an der Wienzeile. Joseph Maria Olbrich hat das Gebäude in einer zehnmonatigen Planung entwickelt, und dabei immer wieder den veränderten Bedingungen angepasst, überarbeitet und verfeinert. Am 28. April 1898 wurde der Grundstein im Rahmen einer kleinen Feier gelegt. Nur sechs Monate danach, am 29. Oktober 1898, war der Bau fertig gestellt.
Der Bau der Secession, heute ein Höhepunkt jeder Wienreise, erregte großes Aufsehen und wurde um die Jahrhundertwende vor allem mit Spott bedacht. Der Bau wurde als „Tempel für Laubfrösche“, „Tempel der anarchischen Kunstbewegung“, „Mausoleum“, „Ägyptisches Königsgrab“, „Grabmal des Mahdi“ und „Krematorium“, die Kuppel als „Krauthappl“, der gesamte Bau als „Zwittergeburt von Tempel und Magazin“ und „Kreuzung zwischen einem Glashaus und einem Hochofen“ bezeichnet.
Wenn man jetzt zeitig in der Früh an die Wien kommt, kann man dort, wo es, hinter der Akademie, aus der Stadt zum Theater geht, jeden Tag eine Menge Leute sich um einen neuen Bau drängen sehen. Es sind Arbeiter, Handwerker und Weiber, die zu ihrer Arbeit sollten, aber hier stehen bleiben, verwundert schauen und sich nicht abwenden können. Sie staunen, sie fragen, sie besprechen das Ding. Es kommt ihnen sonderbar vor, so etwas haben sie noch nicht gesehen; es befremdet sie, sie sind recht betroffen. Ernst und nachdenklich gehen sie dann, kehren sich wieder um, sehen noch einmal zurück, wollen sich nicht trennen, und zögern, an ihr Geschäft zu enteilen. Und das hört jetzt dort den ganzen Tag nicht auf. Der Bau ist das neue Haus der Secession, von dem jungen Architekten Olbrich.
"Die Secession, eines der bedeutendsten Kunstwerke des Wiener Jugendstils, zeigt im Grund- und Aufriss eine sehr einfache Geometrie. Das Gebäude bedeckt rund 1000m2 Grundfläche und ist über einem zentralisierenden Grundriss errichtet. Für den Eingangs- und Ausstellungstrakt verschränkt Olbrich das Grundmotiv eines Quadrats zu mehreren kreuzförmigen Ordnungen. Aus diesem Grundriss-Schema entwickelte er den Aufriss und damit die gesamte plastische Gestalt des Gebäudes.
Beim Außenbau erhält die ungebrochene Fläche überragende Bedeutung. Durch die vielfach geschlossenen Wände wirkt der Bau von außen wie aus massiven Kuben aufgebaut. Die strenge Geometrie wird jedoch von Olbrich nur als genereller Rahmen verwendet, den er mit geschwungenen Linien, Kurvaturen und Überschneidungen umspielt.
Olbrich gliedert das Gebäude in zwei Bereiche, in den „repräsentativen“ Eingangsbereich und den „funktionalen“ Ausstellungstrakt. Der Eingangsbereich wird von hermetischen Blöcken flankiert und von vier Pylonen überragt, welche die Kuppel umfassen. Der Ausstellungsraum ist nach basilikalem Schema in ein erhöhtes Mittelschiff, zwei niedrigere Seitenschiffe und ein abschließendes Querschiff gegliedert; er ist fast zur Gänze mit zeltartigen Glasdächern überdeckt, die dem Innenraum gleichmäßiges Licht geben.
Der Lorbeer ist das dominierende symbolische Element am fertigen Bau. Er findet sich auf den Pilastern des Vordertraktes und der Eingangsnische wieder, er zeigt sich an verschiedenen Kranzmotiven an der Seitenfassade und er überragt das Gebäude in der Kuppel. Die schmiedeeiserne Konstruktion der Kuppel mit einem Durchmesser von 8,5 Metern wird von 2500 vergoldeten Lorbeerblättern und 311 Beeren bedeckt.
Den Eingangsbereich zieren außerdem drei Gorgonenhäupter, die die architektonischen, bildhauerischen und malerischen Künste repräsentieren. An den Seitenfronten befinden sich von Joseph Maria Olbrich (nach Entwürfen von Kolo Moser) selbst gestaltete Eulen. Gorgonen und Eulen sind das Symbol der Pallas Athene, der Göttin der Weisheit, des Sieges und der handwerklichen Künste. Joseph Maria Olbrich verband den Bau mit einer symbolischen Zeichensprache, die hier eine neue und unakademische Anwendung fand.
In ihrer über hundertjährigen Geschichte wurde die Secession mehrfach renoviert und umgebaut. Schon 1901 wurde die Eingangshalle umgestaltet. 1908 wurden Teile des Dekors, aber auch der Spruch „Der Zeit ihre Kunst. Der Kunst ihre Freiheit“ entfernt. Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das Haus durch Bomben beschädigt und beim Abzug der Deutschen Wehrmacht in Brand gesteckt.
Die Renovierung 1963 rekonstruierte den ursprünglichen Dekor und fügte eine Galerie in der Eingangshalle ein. 1984/85 erfolgte eine neuerliche Generalrenovierung unter der Federführung von Adolf Krischanitz. Neben der Wiederherstellung der originalen Raumtypologie des zentralen Eingangs- und Ausstellungsbereichs, wurden die Räume für die Ausstellungsorganisation sowie die Ausstellungstechnik neu organisiert und weiterentwickelt. Im Zuge der jüngsten Sanierung und technischen Modernisierung des denkmalgeschützten Baus 2017/18 wurde unter anderem ein barrierefreier Zugang zum Beethovenfries geschaffen und die Kuppel neu vergoldet.
Im Rahmen der Restaurierung der Kuppel hat die Secession eine Spendenaktion ins Leben gerufen, bei der man sich für einen Beitrag in der Höhe von 100 Euro für die Sanierung eines Blattes an der Erhaltung dieses wichtigen Wiener Wahrzeichens beteiligen kann.