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Margaret Salmon
Monument
28.4. – 18.6.2023

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Margaret Salmon, Monument, Ausstellungsansicht, Secession 2023, Foto: Iris Ranzinger

Margaret Salmon schafft Filme, Fotografien und Objekte, die Poesie und Dokumentation miteinander verweben. Häufig nimmt sie in ihren Arbeiten Personen und ihre gewöhnlichen Aktivitäten in den Blick, um die Besonderheiten des täglichen Lebens einzufangen und ihnen eine sanfte Erhabenheit zu verleihen, die universelle menschliche Themen berührt.

 

In ihrer Ausstellung Monument beschäftigt sich Salmon in zwei sich ergänzenden Filminstallationen mit Männlichkeit. Die 35mm-Filmprojektion Boy (winter) (2022) portraitiert verschiedene Kinder in Glasgow in den Phasen der körperlichen und seelischen Entwicklung vom Babyalter bis zum Jugendlichen; die zweite Arbeit, Study for a Film About Monuments (2023), die als Installation auf Monitoren präsentiert wird und ursprünglich auf 35mm-Film gedreht wurde, konzentriert sich auf erwachsene Männer in einer Reihe stummer Aufnahmen, darunter von einem Denkmal zur Erinnerung an den Ersten Weltkrieg in Penpont, Schottland. Diese neueren Studien sind auf einem Fernsehturm inszeniert; ein fünfter Monitor zeigt einen Ausschnitt aus einem 16-mm-Farbfilm über den Dokumentarfotografen Jean Mohr und die Dokumentarfilmerin Simone Turettini in ihrem Haus in Genf:

 

„Ich habe Jean Mohr im Winter 2018 getroffen, interviewt und gefilmt, zum Teil mit Unterstützung von Pavilion (Leeds). Ich hatte mich schon lange für seine Arbeit mit John Berger interessiert, insbesondere für die bahnbrechenden Bücher A Seventh Man und A Fortunate Man: The Story of a Country Doctor (die Jean Mohr in dem Ausschnitt signiert). Bei meiner Ankunft traf ich seine Lebensgefährtin Simone Turettini (Mohr) und bemerkte die Atmosphäre der Kreativität und Fürsorge, die in ihrem Haus herrschte. Mohrs Gesundheitszustand verschlechterte sich zu dieser Zeit, aber wir verbrachten ein paar Tage gemeinsam und sprachen viel. Ich interessiere mich für Fotografien, für fotografische Techniken und die sozialen und kulturellen Bedeutungen von gegenständlichen Arbeiten. Indem ich diese Ausschnitte aus meiner Zeit mit Simone und Jean teile, möchte ich Hierarchien von isolierter Autorenschaft und männlicher Autorität in Frage stellen und gleichzeitig zwei starke, kreative und intelligente Menschen würdigen.“

 

In ruhigen, statischen Schwarzweiß-Aufnahmen und einer nicht narrativen, sequenzielle Struktur widmet sich Boy (winter) der Suche nach einer anderen Art Bilder, die sich dem vorherrschenden Konzept von Männlichkeit ebenso widersetzt wie dem damit einhergehenden Blick- und Bildregime. In ihren Arbeiten spiegeln sich jene Forschungen, die ihre feministische Praxis seit langem prägen: die Untersuchung geschlechtsspezifischer Dynamiken, wie sie im Alltag erlebt und in Körper und Kultur zum Ausdruck kommen.

 

Salmon zeichnet das Alltägliche auf, um die immanenten zwischenmenschlichen, sozialen und politischen Bedeutungen freizulegen. Die Darsteller repräsentieren stets sich selbst. Zu sehen sind intime, zärtliche Momente der Selbstdarstellung und Selbstvergessenheit, in denen sie ihre Emotionen und ihre Verletzlichkeit offen zeigen. Die einzelnen Szenen wurden nicht im Detail choreographiert, vielmehr beruhen sie auf einem langen Prozess der Annäherung, Beobachtung und kreativen Zusammenarbeit mit den Menschen. Diese bewusst gestaltete Beziehung zwischen Kamera und Motiv, die auf einer starken Empathie mit den Protagonisten fußt und ihnen viel Raum lässt, um den voyeuristischen Blick der Kamera auszuhebeln, ist für Salmons realistischen Ansatz wesentlich. Ihre Nähe zum Subjekt verknüpft die Künstlerin dabei mit einer dezidiert politischen Haltung:

 

„… es geht nicht darum, dass ich einen Blick auf jemanden werfe, sondern darum, dass ich jemanden einlade, mit mir zusammenzuarbeiten, und oft bin ich wirklich berührt und inspiriert von der Offenheit und dem Interesse der Menschen, sich an diesem Prozess zu beteiligen. Heutzutage ist es ziemlich kompliziert, da es so viele Überwachungsaufnahmen gibt und so viele Bilder ‚gestohlen‘ werden. Das alles ist Teil einer aktuell bleibenden ethischen Frage im Zusammenhang mit dokumentarischer Arbeit: Wie fühlt es sich an, jemanden zu filmen, und ist der Austausch fair oder übergriffig?"

 

Zwischen den Filminstallationen platziert Salmon außerdem eine Reihe kleiner Objekte und Fotografien, deren Motive gewöhnlich nicht mit Männlichkeit assoziiert werden. Die oft der häuslichen Sphäre entsprungenen Beobachtungen zeugen von ihrem ausgezeichneten Blick für die Poesie der scheinbar peripheren Dinge.

 

Die Ausstellung umfasst auch eine Reihe kleiner „Monumente“ aus gefundenen und persönlichen Gegenständen sowie auf der Wand collagierte Fotografien basierend auf Motiven, die mit Konzepten der Repräsentation spielen und traditionelle Vorstellungen von Männlichkeit erweitern. In den traditionellen Nassabzügen setzt Salmon häufig experimentelle Dunkelkammertechniken wie Mehrfachbelichtung und Solarisation ein. Diese materiellen Beobachtungen oder Gedanken-Objekte stammen oft aus der häuslichen Sphäre (ausgediente Fußballschuhe des Sohnes, zum Recycling bestimmte Verpackungen, zerbrochene Teller aus Salmons Küche, Holzreste von den Schreinern der Secession ...) und zeugen vom scharfen Auge der Künstlerin für die Poesie der scheinbar peripheren Dinge.

 

Margaret Salmon, geboren 1975 in Suffern, N.Y., lebt und arbeitet in Glasgow, Schottland. 2006 gewann sie den ersten Mara Art Prize for Women. Ihre Arbeiten wurden 2007 auf der Biennale von Venedig, 2010 auf der Berlin Biennale und 2021–22 auf der British Art Show 9 gezeigt und waren in Einzelausstellungen unter anderem im Tramway in Glasgow, im Witte de With in Rotterdam und in der Whitechapel Gallery in London zu sehen.

 

Die anlässlich der Ausstellung erscheinende Publikation Cinematographa. Introduction to Analogue Filmmaking hat Margaret Salmon als Lehr- und Handbuch für den Gebrauch analoger Kameras konzipiert. Sie beinhaltet zum einen detaillierte fotografische Anleitungen für Super-8-, 16mm- und 35mm-Kameras zum anderen neun Texte weiblichen Filmemacher*innen – Peggy Ahwesh, Betzy Bromberg, Rose Lowder, Babette Mangolte, Rhea Storr, Deborah Stratman, Alia Syed, Malena Szlam und Salmon selbst, die anhand eines Fragenkatalogs Auskunft geben über ihren Gebrauch der Technik, ihre Arbeitsweise und ihre praktischen Erfahrungen. Die Publikation wird voraussichtlich Anfang Juni erscheinen.

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Publikation
Margaret Salmon. Cinematographa

Digitale Publikation

Margaret Salmon

Margaret Salmon. Cinematographa, Foto: Iris Ranzinger

Margaret Salmon. Cinematographa, Foto: Iris Ranzinger




Künstler*innen
Margaret Salmon

geboren 1975 in Suffern, New York, lebt und arbeitet in Glasgow, Schottland.

Programmiert vom Vorstand der Secession

Kuratiert von
Annette Südbeck (Secession)

Vereinigung bildender Künstler*innen Wiener Secession
Friedrichstraße 12
1010 Wien
Tel. +43-1-587 53 07