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Francis Offman
Weaving Stories
29.5. – 31.8.2025
Pressekonferenz: Dienstag, 27. Mai 2025, 10 Uhr
Bitte um Anmeldung unter presse@secession.at
Eröffnung: Mittwoch, 28. Mai 2025, 19 Uhr
Die Wände des Treppenhauses, das zu Francis Offmans Ausstellung Weaving Stories führt, sind mit getrocknetem Kaffeesatz bedeckt. Das dunkle taktil ansprechende Material macht den Aufgang zum Ausstellungsraum im ersten Stock zu einem immersiven Geruchserlebnis.
Kaffee steht im Mittelpunkt von Francis Offmans konzeptuellem Zugang zu Malerei und ist zugleich ein Zeichen für die zwei Welten, die im Leben des Künstlers miteinander verknüpft sind: Offman wuchs in Ruanda auf und wurde Zeuge des Genozids im Jahr 1994, bei dem Extremisten aus der Bevölkerungsmehrheit der Hutu zwischen 800.000 und 1.000.000 Menschen – vor allem Tutsi, aber auch gemäßigte Hutu – ermordeten. 1999 wanderte Offman nach Italien aus, wo er seither lebt. Kaffeekultur gehört heute in Italien zur nationalen Identität, in Ruanda dagegen schlug sie erst während der deutschen Kolonialherrschaft (1897–1916) Wurzeln. Kaffee wurde ausschließlich für den Export angebaut, in Gebieten, deren Bewohner*innen durch die Zerstörung ihrer Lebensgrundlage gezwungen wurden, auf den kolonialen Plantagen zu arbeiten.
Offman begann, mit Kaffeesatz zu arbeiten, als er das letzte Päckchen öffnete, das seine Mutter ihm aus Ruanda mitgebracht hatte. Der Verlust seiner Heimat, Migration und Trennung, die traumatischen Erfahrungen seiner Eltern und die Sehnsucht nach dem Ruanda seiner Kindheit sprechen aus jeder seiner Arbeiten.
Um zu vermeiden, dass sich das Material zersetzt, bereitet Offman den Kaffeesatz mit Kleber und Grundiermittel vor und legt damit Farbfelder auf der Leinwand an. Die minutiösen beinahe altmeisterlichen Techniken, die er einsetzt, sind fest im Kanon der italienischen Kunstgeschichte verankert. Der Künstler versteht seine Assemblagen, die von verschiedenen Texturen und Materialitäten leben, als „abstrakte Gemälde“. Manchmal ragen Materialien über die Kanten der ungespannten Leinwände hinaus, was ihre taktile und räumliche Dimension noch unterstreicht. Offmans Werke vermitteln zwar eine gewisse lyrische Spontaneität, entstehen aber in einem zeitaufwändigen Prozess, der Schrumpfungen und Risse verhindern soll. Obwohl sie eine eingehende Auseinandersetzung mit medienspezifischen und technischen Fragen erkennen lassen, erschöpfen sie sich nicht in unpolitischem Formalismus, sondern sind im Gegenteil mit der Biografie des Künstlers und der Geschichte des (Neo-)Kolonialismus aufgeladen.
Offmans künstlerischer Prozess beginnt vor der eigentlichen Arbeit auf der Leinwand: mit dem Sammeln gefundener und geschenkter Materialien, die nicht nur Formen und Gesten hervorbringen, sondern auch individuelle Geschichten und kulturelle Kontexte in sich tragen. Was ehemals der prekären Situation des Künstlers geschuldet war, ist inzwischen zu seinem Erkennungsmerkmal geworden: Der Austausch und die Begegnung mit verschiedenen Menschen, die ihm Materialien überlassen – Ruanda verfügt über eine besonders starke mündliche Tradition des Geschichtenerzählens – sind ein wichtiger Teil seiner Arbeit. Zu Beginn seiner Praxis verwendete der Künstler die ihm geschenkte Bettwäsche aus einer Aussteuer als Bildträger. Gemusterte Stoffstücke stammen aus Kleidungsstücken seiner Mutter, Papierschnipsel aus alten Schuhkartons. Abgeschnittene Hemdkragen zitieren eine Geste des politischen Widerstands von Menschen in Ruanda gegenüber Autoritäten. Mullbinden, deren Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist – er bekam sie während einer Residency – bilden oft gestische Spuren, die auf den Körper verweisen. Sie signalisieren Verwundbarkeit und spielen zugleich auf die Verteilung abgelaufener Medizinprodukte an Hilfsprojekte in Afrika an.
Für Offman sind seine Gemälde wie sakrale Objekte – sich in ihre schöpferischen wie destruktiven Energien zu vertiefen, ist eine Form der Heilung und Therapie mit Transformationspotenzial. Oder wie der Künstler es ausdrückt: „Ich liebe es, mit meinen Händen zu arbeiten. Wenn man sich auf meine Bilder einlässt, kann man den Kaffee oder Lavendel beinahe riechen. Es macht mir Freude, wie verschiedene Oberflächen einzigartige Empfindungen entstehen lassen, wie Farben mit Texturen wechselwirken und wie diese Wechselwirkung eine Bildsprache entstehen lässt, die Menschen anspricht. Deshalb experimentiere ich gern mit verschiedenen Materialien. Wenn sie richtig ausbalanciert sind, bilden sie eine Sprache, die mich mit anderen in Verbindung treten, Gefühle wachrufen oder festhalten und tiefe Fragen des Lebens erkunden lässt.“
Francis Offman wurde 1987 in Butare, Ruanda, geboren. Er lebt und arbeitet in Bologna, Italien.
Programmiert vom Vorstand der Secession
Kuratiert von Bettina Spörr