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Jeroen de Rijke / Willem de Rooij , Christopher Williams
25.11.2005 – 15.1.2006

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Christopher Williams & Jeroen de Rijke / Willem de Rooij, Ausstellungsansicht, Secession, 2005, Foto: Matthias Herrmann

Auf Einladung der Secession erarbeiten de Rijke / de Rooij und Christopher Williams gemeinsam eine Ausstellung, die alle Räume des Hauses bespielt. Ihre unabhängig voneinander entwickelten Positionen treten dabei in einen Dialog, der die Ähnlichkeiten des Ansatzes und die Differenzen in der Ausführung sichtbar werden lässt.

 

Ausgehend von einer am Dokumentarischen orientierten Ästhetik untersuchen sowohl Williams als auch de Rijke / de Rooij Zustand, Präsenz und Wirkung fotografischer Bilder. Allgegenwärtig in den visuellen Kulturen der Gegenwart haben diese Bilder eine merkwürdige Durchsichtigkeit angenommen – wahrgenommen wird nicht das Bild, sondern das, was es darstellt. Sowohl motivisch als auch durch die Verwendung spezifischer Techniken und Präsentationsformen sorgen die drei Künstler für eine Rückbindung der Fotografie ans Fotografierte.

 

“Art is artificial, and we like that.” De Rijke / de Rooij rühren mit ihren Arbeiten an die Selbstverständlichkeiten des Sehens und des Übersehens. Bilder, so lassen sie erkennen, sind gleich in doppelter Weise produziert – konkret als Filme, als Fotografien und Installationen, gesellschaftlich aber von den Konventionen der Wahrnehmung und der Inszenierung. Langsam sich entwickelnd, visuell opulent oder in der Konfrontation mit Texten provozieren ihre Arbeiten Blickweisen, die sich an Veränderungen im Detail schärfen, ohne dabei auf konsistente Narrationen angewiesen zu sein: Ihre Bilder erzählen keine Geschichte als die eigene.

 

In der Secession zeigen de Rijke / de Rooij unter anderem den 16mm-Film Mandarin Ducks, den sie im Sommer erstmals auf der Biennale in Venedig präsentierten: In einer modern ausgestatteten bürgerlichen Wohnung treffen zehn Personen aufeinander, die in wechselnden Konstellationen Abhängigkeiten und Ideale, Liebe und Korruption, psychische Gespaltenheit und Chaos verhandeln. Vermittels der demonstrativ artifiziellen Performance der SchauspielerInnen, den in gemäldeartigen Kompositionen aneinander gereihten Standbildern und den verzerrten, nichtlinearen Narrationen stellen de Rijke / de Rooij ihre Distanz zum Gezeigten mit aus. Die Repräsentation scheinbar klassischer Elemente von Film wirft auch die Frage nach den dahinter liegenden Ideologien auf.

 

Der 35mm-Film The point of departure untersucht die Struktur und das Muster eines kaukasischen Teppichs aus dem 19. Jh. Die Kamera bewegt sich zunächst mikroskopisch durch das Gewebe. Nach der absoluten Nahaufnahme von Fasern und farbigen Flocken entfernt sich die Kamera soweit, dass die Oberfläche des Teppichs diffus erkennbar wird. Mit noch mehr Abstand werden Linien und Geometrien sichtbar. Mit dem Verlust des Gefühls für das Material wird das dahinter liegende Konzept sichtbar. The point of departure erschließt das dem Artefakt zugrunde liegende Ornament. Der Teppich dreht sich, wird kleiner und kleiner, am Ende verschwindet er als weißer Punkt im Schwarzen. In einer langsamen Bewegung werden Elemente der Fotografie, der Malerei und des Films kombiniert, der Zusammenhang von Gobelin und Gemälde zitiert. Die Leere des Raums sowie die Arbeit, die in dem Teppich steckt, erreichen eine vergleichbare Wichtigkeit wie der Film.

 

Das konzeptuelle Spiel mit der schwarz-weißen Farbgebung – charakteristisch für die traditionelle Fotografie – kennzeichnet auch die neue Arbeit Bouquet IV und die Fotografien Light Study IV und Light Study V, die de Rijke / de Rooij für ihre Ausstellung in der Secession produziert haben.

 

Wenn die Fotografie als Medium Zeit und Bewegung still stellt, dann halten Christopher Williams’ Bilder auf paradoxe Weise fest, was in der Welt war und deshalb flüchtig und stets im Verschwinden begriffen ist. Seine Fotografien zeigen zum Beispiel drei Ansichten einer Mittelformatkamera, rekurrieren auf Ästhetiken der Werbung vor 30 oder 40 Jahren und konfrontieren täuschend falsche Maiskolben mit einer fotografischen Farbkarte. Für all diese Bilder verwendet Williams Techniken, die ähnlich anachronistisch zu werden drohen wie ihre Motive. Die Verwendung aussterbender Techniken sieht er dabei “weder nostalgisch noch [als] ein Argument gegen digitale Medien an sich, sondern vielmehr als den Versuch, diese Prozesse im Augenblick ihres Verschwindens zu begreifen”. Williams verknüpft solcherart die Materialität seiner Aufnahmen mit der Historizität des Aufgenommenen: Geschichte schreibt sich gleichermaßen den Objekten der materiellen Welt und ihren Abbildern ein.

 

Die Präzision Williams in der Verschränkung von Historie und Gegenwart wird auch in seinen Titeln deutlich, die auf die angebliche Objektivität dokumentarischer Fotografie referieren und zugleich eine erweitertes Netz an Assoziationen spinnen. Die schwarz/weiß Fotografie Model # 105M-R59C Kestone Shower Door 57, 4 x 59″/Chrome/Raindrop, SKU # 109149, # 96235. 970-084-000 (Meiko Perkins), Vancouver B.C., Wednesday, April 6, 2005 zeigt mit der Frau in der Dusche ein scheinbar klassisches Werbesujet. Einerseits Rückbezug auf die Werbeästhetik der 1960er-Jahre, bricht das Bild andererseits mit einer perfekten Imitation und verweigert eine ungebrochene Übertragung in die heutige Zeit. So räumt Williams etwa dem Industrieprodukt Duschtür die gleiche Präsenz ein wie dem Gesicht der Frau und wählt statt einer Jugendlichen eine 35-jährige Frau als Modell, die im Gegensatz zu vielen aktuellen Werbeproduktionen offen lachend in die Kamera blickt. Williams bezeichnet so, neben dem Zeitgeschmack geschuldeten Unterschieden, jene Momente, die überhaupt erst eine Verschiebung unserer Wahrnehmung von Bildern in Gang setzen.

 

 




Künstler*innen
Jeroen de Rijke / Willem de Rooij
Christopher Williams
Programmiert vom Vorstand der Secession


Vereinigung bildender Künstler*innen Wiener Secession
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1010 Wien
Tel. +43-1-587 53 07