Wade Guyton
Zeichnungen für ein kleines Zimmer
27.5. – 21.8.2011
Mit der Ausstellung Zeichnungen für ein kleines Zimmer zeigt der US-amerikanische Künstler Wade Guyton in der Secession kleinformatige Arbeiten, die sich durch ein minimalistisches Formenvokabular auszeichnen. Als Trägermedium hierfür dienen ihm aus alten Kunst-, Architektur- und Lifestylezeitschriften gerissene Seiten, die er mit einem Tintenstrahldrucker überdruckt. Die abstrakte Sprache, die der Künstler mit standardisierten Schreibprogrammen am Computer entwickelt, sowie die Ergebnisse dieses Arbeitsprozesses werden durch die qualitativen Schwankungen der Drucktechnik forciert. Risse, Knitterungen, einmal mehr, einmal weniger Farbe auf den Bildträgern, Sättigungsprobleme und Fehlstellen kennzeichnen sein Werk.
Wade Guyton überlässt seine Kunstwerke dem maschinellen Zufall. Mit einem handelsüblichen Tintenstrahldrucker reproduziert er ungegenständliche Kompositionen auf Leinwand oder Papier. Die besonderen Kombinationen von Bild und Aufdruck haben unterschiedliche Effekte, die nie voll und ganz beabsichtigt sind: Manchmal wirkt das Ergebnis ernst, gewichtig und überlegt, manchmal unbeabsichtigt und beiläufig. Guytons Arbeit lässt an die Produktionsästhetik etwa des Abstrakten Expressionismus oder des Minimalismus denken. Appropriation und die Frage nach der Originalität des Kunstwerks sowie zeitgemäße Manifestationen eines alltäglichen Kopierens und Wiedereinfügens stehen auf der Tagesordnung seiner künstlerischen Praxis. Aber schon die Wahl seiner Mittel nimmt Abstand von einem puristischen Kunstdiskurs: vorgefertigte Bildträger, deren maximale Breite durch die Normen der Industrie vorgegeben ist, sowie durch und durch regulierte Computerprogramme und Farbvariationen, die sich den Entscheidungen des Künstlersubjekts mehr oder weniger entziehen.
Im Grafischen Kabinett zeigt Guyton unter dem Titel Zeichnungen für ein kleines Zimmer eine fünfteilige Installation mit so genannten “Zeichnungen” und passt damit seine künstlerische Methode an die Gegebenheiten des Ausstellungsraums an. Er setzt sein reduziertes Formenvokabular auf bereits bedrucktes Papier, das er – ganz wie es auch daherkommen mag, scheinbar wahllos – aus dem Druckwerk reißt und “überschreibt”. Man kann sich vorstellen, dass er dies nebenbei erledigt, während er auf etwas anderes wartet. Dieses Warten besteht bei ihm oft aus der Zeitspanne zwischen dem Moment, in dem er den Druckvorgang startet und dem Herauskommen der bedruckten Seite – eine Zeitspanne, die er normalerweise mit Surfen im Internet, mit E-Mail-Kommunikation oder künstlerischer Produktion füllt. Auf diese Weise webt Wade Guyton ein faszinierendes Netz an Referenzsystemen, das sich immer wieder auf die “echte” Welt beziehen muss, um in dieser auch Bestand zu haben.
Die aktuelle Ausstellung in der Secession ist so eng an Guytons eben erst in der Galerie Capitain Petzel gezeigte Schau angelehnt, dass sie quasi, aber eben doch nicht ganz, eine Wiederholung davon ist. In der Berliner Galerie waren im Februar 2011 ungewöhnlich lange Vitrinen mit blauen Bodenfliesen und Stapeln von Guytons überdruckten Seiten zu sehen. Der Unterschied zur Ausstellung in der Secession liegt sowohl in der Auswahl der Arbeiten auf Papier als auch in der Farbe des Fliesenbodens, auf dem sie in Wien präsentiert werden. Da ein integraler Bestandteil Guytons Projekts darin besteht, dass er die Seiten während des Arbeitens auf dem Küchenfußboden in seinem New Yorker Atelier stapelt, um sie in diesem Kontext zu betrachten und gegebenenfalls weiter zu bearbeiten, war er gezwungen, für die Ausstellung in der Secession seine Küche mit einem neuen Bodenbelag – dieses Mal mit roten Fliesen – zu versehen.
“Man redet über Zufälle oder gar Missgeschicke in meiner Arbeit – und von beiden passieren eine Menge – aber dennoch gibt es häufig einen Aspekt des Missgeschicks, den ich schließlich in eine Vorlage wandele und als Muster für Wiederholungen nehme”, so Wade Guyton über seine Arbeit: “Der blaue Fußboden war nie als Skulptur gedacht. Erst durch seine Verwendung bei den Ausstellungen in Köln und Berlin erhielt die Küche eine offensichtliche Bedeutung. Um die Ausstellung der Zeichnungen nicht zu wiederholen, war ein Unterschied vonnöten – und die Farbe des Fußbodens war eine veränderbare Variable. Um also die neuen Zeichnungen zu zeigen, musste ein komplett neuer Küchenfußboden verlegt werden. Ich entschied mich für einen roten.”
geboren 1972 in Hammond (USA), lebt und arbeitet in New York.