Trina Robbins
She Draws Comics
25.4. – 23.6.2002
Die Cartoonistin und Pophistorikerin Trina Robbins zählt bereits seit den 1960er-Jahren zu den zentralen Figuren der amerikanischen Frauen-Comicszene. Sie besetzt zahlreiche Rollen: Künstlerin, Produzentin, aktive Networkerin und seit einigen Jahren auch Chronistin der Women Comics-Bewegung. Die von ihr für die Secession zusammengestellte Ausstellung She Draws Comics zeigt anhand einer großen Auswahl sowohl historischer als auch zeitgenössischer Originalzeichnungen, Comics und Zines aus den USA die dortige Vielfalt der Comicproduktion von Frauen. Sie vermittelt historische und biografische Hintergründe, ohne die Vielzahl der individuellen Ansätze zu nivellieren, und beleuchtet Aspekte der Produktion und Distribution im Rahmen emanzipatorischer Do-it-yourself Strategien, nachdrücklicher Formulierung der eigenen Position und des industriellen Comicmarkts.
Comic ist zwar auch in der Kunst ein viel verwendetes Medium, die hier gezeigte Sammlung ist jedoch außerhalb des Kunstkontextes entstanden. Innerhalb der Ausstellung lassen sich trotzdem diverse Stränge und Zusammenhänge festmachen, die an im Kunstfeld aktuelle Diskurse anknüpfen. In der Auseinandersetzung mit Themen der Produktion und Verortung im Sinne von Gegenöffentlichkeit zeichnen sich verschiedene Stationen einer feministischen Sprache ab.
Das Spektrum der Ansätze reicht von Science Fiction und Fantasy (Donna Barr) über Seifenopern (Dale Messick), von bissig humorvollen Newspaperstrips (Nina Paley) bis zum Genre des autobiografischen Comics, wobei letzteres in der Gegenwart zu dominieren scheint. Die Geschichten der Autorinnen widmen sich gewöhnlichen Begebenheiten ebenso wie der schonungslosen Offenlegung psychologischer Übergriffe (Debbie Drechsler, Phoebe Gloeckner, Penny Van Horn). Die Bild-Textgeschichten sind ein ideales Medium, um gesellschaftliches und politisches Engagement zu diskutieren und dabei gleichzeitig persönliche Erfahrungen auszudrücken (Jessica Abel, Julie Doucet, Leanne Franson). In ihrer Unterschiedlichkeit spiegeln die in den Comics vorgestellten Lebensentwürfe das veränderte weibliche Selbstbewusstsein ebenso wie den sich wandelnden Umgang mit Identitätspolitiken der letzten Jahrzehnte wieder. Bereits die Titel, Tits & Clits in den 1970er-Jahren oder Girlhero, Actiongirl und Slutburger in den 1990er-Jahren verweisen in der Eroberung und Umdeutung der Begrifflichkeiten auf das Ziel, die Darstellungen und Repräsentationen von Frauen jenseits von Stereotypen selbst zu bestimmen.
Die Ausstellung gibt einen breiten Einblick in die Comicproduktion von Frauen in den USA. Trina Robbins steht für diese emanzipatorische Intention mit ihrer ganzen Lebensgeschichte. Sie ist eine Protagonistin der Underground Comix Bewegung. Bereits Anfang der 1960er-Jahre veröffentlichte sie ihre ersten Comics in New York (East Village Other). 1968 zog sie nach San Francisco, der Geburtsstätte des Undergroundcomix, wo sie beispielsweise als Mitbegründerin des Wimmen’s Comic Collective und als Herausgeberin der Anthologie It Aint Me Baby. Women’s Liberation immer wieder Netzwerke und Plattformen für die Comicproduktion von Frauen geschaffen hat. Im Rahmen dieser Kollektive entstanden die ersten Comicreihen, die sich mit feministischen Themen wie Abtreibung, Coming Out und Sexualität beschäftigten.
Um zu beweisen, dass auch Comics, die ihre weiblichen Figuren nicht auf vollbusige Sexwunder reduzieren, kommerziell erfolgreich sein können, hat Trina Robbins als Zeichnerin und Texterin mit Meet Misty, GoGirl und in der Arbeit für Barbie Geschichten erfunden, die insbesondere jungen Mädchen eine Alternative zu den von der Industrie favorisierten, männlichen Machtfantasien entsprungenen Übermenschen und Superhelden und ihren weiblichen Appendixen bieten. So kämpft das Mutter-Tochterteam der von Ann Timmons gezeichneten Go-Girl-Hefte nicht nur gegen das Böse, sondern auch mit dem Problem, dass Superkräfte und ihre Fähigkeit zu fliegen weder reich machen noch helfen, den vergleichsweise durchschnittlichen Schwarm zu erobern.
Trina Robbins publizierte eine große Anzahl von Büchern und Magazinen, darunter From Girls to Grrrlz – A History of American Women’s Comics from Teens to Zines (1999), eine umfangreiche Dokumentation der von ihr mitbegründeten und mitgeprägten Comiczeichnerinnen-Szene. Dieses Buch wurde zur Grundlage von Robbins’ ersten Präsentationen in Europa, die im Jahr 2001 im Künstlerhaus Stuttgart und im Rahmen der Ausstellung First Story – Women Building/New Narratives for the 21th Century in Porto stattfanden. Ihre jüngste Publikation The Great Women Cartoonists (2001) bildet den Ausgangspunkt für die Ausstellung in der Secession.