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Thea Djordjadze
To be in an upright position on the feet (studio visit).
8.9. – 1.11.2016

https://secession.at/items/uploads/images/1661786050_5rq3rDYzPqS.jpg

Thea Djordjadze, To be in an upright position on the feet (studio visit)., Ausstellungsansicht, Secession 2016, Foto: Sophie Thun

Thea Djordjadze schafft raumgreifende Installationen, die sie stets in situ als direkte Reaktion auf den sie umgebenden Raum entwickelt. Als Ausgangspunkt erkundet sie erst die spezifischen Qualitäten eines Ausstellungsraums, um mit ihren Arbeiten die Wahrnehmung und mögliche Lesarten der räumlichen Gegebenheiten auf subtile Weise zu transformieren. Ihre künstlerische Praxis ist als Prozess des fortdauernden Wiederverwertens, Rekonfigurierens und Neuordnens von vorhandenen und neuen Objekten zu verstehen. Das Provisorium – die temporäre Lösung oder Formfindung –, das wieder verworfen oder ersetzt wird und das stets einen Übergang in sich trägt, ist charakteristisch für ihr Werk, oder konkreter noch: wird selbst zum Werk.

Für ihre Ausstellung in der Secession hat Djordjadze ihr Atelier nach Wien übersiedelt. Buchstäblich alles, was nicht niet- und nagelfest ist, wurde abmontiert, aus Regalen geräumt, in Umzugskartons geschichtet, mit Luftpolsterfolie verpackt, auf Paletten gestapelt, in den LKW geladen. Eine radikale Entscheidung, denn ihr Studio in Berlin bleibt zumindest vorläufig komplett leer. Der Künstlerin sind all jene Dinge, die sie zum Arbeiten oder schlicht für den Alltag benötigt, temporär entzogen. Doch steckt in einer derartigen Entleerung, dem Schaffen einer tabula rasa, nicht auch das Potential einer Befreiung, einer (wieder gewonnenen) Freiheit?

Mit dem gesamten Inventar hat die Künstlerin eine Installation entwickelt, in der ihr privater Arbeitsraum, das Atelier, öffentlich gemacht wird und hierfür eine neue Ordnung und skulpturale Form annimmt. Dieser Transformation ging eine penible Auseinandersetzung mit den Gegenständen voraus. In diesem intensiven Prozess der Sichtung wurden die den Gegenständen zugrunde liegende Beschaffenheit und Funktion untersucht, so dass diese letztendlich nur noch als abstraktes Material wahrgenommen wurden – frei, um intuitiv und lustvoll neu arrangiert zu werden: Schrauben, Elektrogeräte, Werkzeug, Gipssäcke, Papiermaché, Ton, Drucker, Scanner, Holzplatten, Staffel, Regale, Archivboxen, Farben, Pinsel, Zeitschriften, Hausrat, Plexiglasplatten, Stahlgestelle, Pflanzen, Tische, Stühle, Stoffe, Felle, Pölster, Gemälde, mundgeblasene Glaskugeln, Lampen, Vitrinen, Modelle für kommende, Objekte aus vergangenen Ausstellungen etc.

Durch die räumliche Verdichtung dieser Materialien und Objekte schafft die Künstlerin unterschiedliche „Zonen“, die den Ausstellungsraum und dessen Grundstruktur akzentuieren: An einer Wand hängen leere Regale und Schubläden aus Holz, daneben lehnen unbehandelte Bretter. Gegenüber sind einige längliche mehrteilige Metallplatten angebracht, die an Fensterläden erinnern und dank Scharnieren flach aufliegen oder sich wie ein Relief von der Wand abheben können; Metallregale und Küchenmobiliar schweben eigentümlich über dem Boden. Alles ist hier nach einem strengen Raster ausgerichtet, das Raumhöhe und Vertikale betont – vielleicht ein lapidarer Verweis auf Judd’sche Gestaltungsprinzipien.

Als künstlerische Fragestellung spielt das Display – Vitrine, Sockel, Rahmung, Podest usw. – für Djordjadze schon lange eine wesentliche Rolle und ist ein wiederkehrendes Motiv in ihrer Arbeit. In der aktuellen Installation werden Alltagsgegenstände, Arbeitsmaterial und künstlerische Arbeiten grundlegenden Fragen des Ausstellens gleichwertig unterzogen. An der Wand eines Seitenschiffs ranken die Blätter von Zimmerpflanzen hoch, eingerahmt von schwarzen Industrieregalen, ein selbstgezimmertes Sofa mit überproportional tiefer Sitzfläche verleiht der Situation etwas Wohnlichkeit. Die Verkleidung einer freistehenden Metallskulptur wurde kurzum zweckentfremdet und mit Holzplatten und Staffeln gefüllt – selbst wenn sie nicht beantwortet wird, drängt sich die Frage auf: Handelt es sich bei dem Objekt um eine Skulptur oder schlicht einen provisorischen Behälter? Von der Vielzahl ihrer Gemälde wiederum ist nur eine Auswahl „klassisch“ gehängt, andere lehnen an die Wand oder sind hintereinander gestapelt, so dass nur ihre Rückseite oder ein Ausschnitt zu sehen ist.

Djordjadze antizipiert und reagiert (schon in der Konzeption) auf einen voyeuristischen Blick mit der subtilen Anwendung eines Blickregimes: Was gezeigt wird, was verhüllt, verschleiert, verborgen bleibt, welche Ansichten den BetrachterInnen gewährt werden, unterliegt der Kontrolle der Künstlerin – und oft ist es ein Zeigen und Nicht-Zeigen zugleich. Das Prinzip findet sich auch im ebenfalls To be in an upright position on the feet (studio visit). betitelten Künstlerbuch wieder, das im Vorfeld der Ausstellung entwickelt wurde. In über hundert Fotografien, die im Berliner Studio gemacht wurden – Raum- und Detailansichten, die vielfach variiert werden – wird ein Einblick in den Atelieralltag vermittelt, jedoch nur vermeintlich, denn das Bild konkretisiert sich nicht, bleibt ein flüchtiges.

Die Installation im Hauptraum der Secession stellt eine Art „Meta-Ausstellung“ dar, der das gesamte künstlerische Oeuvre Djordjadzes innewohnt. In den provisorischen Konfigurationen ist Vergangenes spürbar, während sie sich schon für Künftiges, Potentielles bereit zu halten scheinen. Diese paradoxe Gleichzeitigkeit manifestiert sich im Jetzt der Ausstellung.




Künstler*innen
Thea Djordjadze

 geboren 1971 in Tiflis (Georgien), lebt und arbeitet in Berlin.

Programmiert vom Vorstand der Secession

Kuratiert von
Jeanette Pacher (Secession)

Vereinigung bildender Künstler*innen Wiener Secession
Friedrichstraße 12
1010 Wien
Tel. +43-1-587 53 07