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Tala Madani
Shit Moms
23.11.2019 – 9.2.2020

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Tala Madani, Shit Moms, Ausstellungsansicht, Secession 2019, Foto: Peter Mochi

Shit Moms, der Titel von Tala Madanis Ausstellung in der Secession, ist auch die Bezeichnung einer neuen Werkgruppe der Künstlerin. Sie setzt sich dabei mit Entwürfen häuslichen Lebens und insbesondere mit den Vorstellungen und Idealen sowie der (körperlichen) Wirklichkeit des Mutterseins auseinander. Die englische umgangssprachliche Bezeichnung für Frauen, die auf die eine oder andere Weise in ihrer Aufgabe oder Rolle als Mutter scheitern, inspirierte Madanis Herangehensweise an das Thema: Verschmierte und etwas aus der Form geratene weibliche Körper erscheinen als Muttergestalten aus Exkrementen.

 

Die „Scheißmütter“, die in zärtlicher Zweisamkeit mit ihrem Baby gezeigt werden (At My Toilette #1, #2, #3) und auf die westliche Ikonografie der Madonna mit Kind zurückgreifen – die paradoxe Idee der unbefleckten, jungfräulichen Mutterschaft ist ein Thema, das Madani schon lange beschäftigt – oder die von mehreren Babys umgeben sind, die über ihre Körper krabbeln oder darauf hüpfen, bewohnen Apartments von moderner Eleganz, erstrahlen im Scheinwerferlicht von Diskotheken und beobachten heimlich Babys, die in verlassenen Häusern spielen. Die Bilder halten sowohl Momente des Miteinanders als auch der Isolation fest und strahlen ein Gefühl von Intimität und menschlicher Verletzlichkeit aus.

 

Bilder, in denen Kleinkinder mit ihren mit Scheiße bedeckten Händen alles vollkleckern, unbekümmert und fröhlich Leintücher und Vorhänge beschmutzen und ganze Innenräume damit überziehen, verweisen auf die Ursprünge der Malerei: die Handabdrücke prähistorischer Höhlenmalereien, die im Norden Spaniens entdeckt wurden beispielsweise. Diese zählen zu den frühesten Beispielen menschlichen Gestaltungswillens und veranschaulichen den Drang kreativ zu sein, zu formen, Zeichen zu hinterlassen und zu kommunizieren.

 

Für den inhaltlichen Schwerpunkt auf häusliches Leben scheint das Motiv der Höhle aufgrund der damit verknüpften zwiespältigen Assoziationen interessant zu sein: Nur ein schmaler Grat trennt die Wahr­nehmung der Höhle als Unterschlupf und Ur-Behausung, als Inbegriff eines Ortes, den es zu entdecken und zu erforschen gilt, von der Vorstellung eines unheimlichen, dunklen und unsicheren Ortes, an dem die Gefahr, darin gefangen zu sein, allgegenwärtig lauert. Diese scheint in den Darstellungen so gegensätzlicher häuslicher Lebenswelten wie in den Gemälden Shit Mom (A Living Room #2) und Shit Mom (Broken Window) fortgeführt zu sein.

 

Aber auch buchstäblich ist die Höhle eine Referenz: In ihrem Schatten zeichnen sich in Cave Interior (Ancestors) zwei Silhouetten ab, die die Wand anleuchten und dabei eine riesige Zeichnung von einer Menschenmenge, die über ihnen lauert, zum Vorschein bringen. Es ist nicht eindeutig, was die Menge bewegt: Flieht sie vor oder huldigt sie etwas, oder ist sie Teil einer kollektiven, ekstatischen Tanz­bewegung (eines Raves)? Eine Variation dieses dynamischen Auflaufs taucht in einer von drei groß­formatigen Diptychen wieder auf, Corner Projection (Panic). Jedes Diptychon besteht auf einer Seite aus einem Gemälde eines Projektors, das auf das andere sein Licht und projiziertes Bild zu werfen scheint. Über Eck gehängt, fungieren diese Arbeiten als Raumscharniere, die die ausgestellten Arbeiten (39 Gemälde in unterschiedlichen Formaten sowie acht Animationsfilme) sowohl rahmen als auch miteinander verknüpfen. Sie stellen zugleich ein wiederkehrendes malerisches Thema im Werk Madanis zur Schau: das Licht und die Projektion.

 

Einige Motive tauchen in mehreren Bildern auf und bilden gewissermaßen Untergruppen. Im Raum verteilt hängen diese manchmal nebeneinander, dann wieder einander gegenüber und spannen imaginäre, thematisch-räumliche Brücken: Bilder von gespenstisch-traumhaften Figuren, die Kinder hüten, demonstrieren das Paradoxon gleichzeitiger An- und Abwesenheit wie Undurchsichtigkeit und Transparenz (Ghost Sitters), während in Cum Shot #1, #2 und #3 jeweils ein Mann mit einem Gewehr in Händen zu sehen ist, der vor einem Spermafleck liegt oder die phallische Waffe darauf richtet. Im Gegensatz zu früheren Werkzyklen Madanis, in denen meist die männliche Figur (in seiner gegenwärtigen Krise) im Fokus stand, sind es hier lediglich diese drei Gemälde, die zudem eine düster-bedrückende Stimmung von Autoaggression verströmen.

 

Neben den Gemälden werden mehrere Animationsfilme neueren Datums auf Monitoren präsentiert, die den digitalen Bewegtbildern einen Körper verleihen. Die zunächst beiläufige, nüchterne Handlung nimmt in den Filmen eine oft unerwartete Wendung, die in der Auflösung der körperlichen oder sexuellen Integrität und der physischen De(kon)struktion der handelnden Figuren enden, beispielsweise in Manual Man oder Mr. Time. Auf verstörende und geradezu bösartig komische Weise scheinen die Protagonisten hier in einer Spirale zerstörerischer Gewalt gefangen.

 

In beiden Formaten kommt eine Bildsprache zum Einsatz, die in oft grotesker Überzeichnung zugleich drastisch und zärtlich, obszön und witzig ist. Madanis Werk entwirft eine Welt, in der Urtriebe nicht durch Konventionen und gesellschaftliche Normen gezügelt werden. Von ihren Arbeiten geht ein Licht aus, das nach innen wie nach außen strahlt und so menschliche Instinkte, aber auch auf den Kopf gestellte gesellschaftliche Rituale erhellt.

 

 

Ausstellungsgespräch

Veranstaltungen
22.11.2019 | 18:00
Tala Madani im Gespräch mit Mark Leckey
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Künstler*innen
Tala Madani

wurde 1981 in Teheran geboren und studierte Kunst und Politikwissenschaft in den Vereinigten Staaten. Sie lebt und arbeitet in Los Angeles.

Programmiert vom Vorstand der Secession

Kuratiert von
Jeanette Pacher (Secession)

Vereinigung bildender Künstler*innen Wiener Secession
Friedrichstraße 12
1010 Wien
Tel. +43-1-587 53 07