menü
de / en

Stephan Dillemuth
Öffentliche Verkehrsmittel
3.5. – 17.6.2012

https://secession.at/items/uploads/images/1661858188_ZDeyYyHmyv9q.jpg
Stephan Dillemuth, The Hard Way to Enlightenment, Installationsansicht, Secession 2012, Foto: Oliver Ottenschläger

Stephan Dillemuth begreift seine Möglichkeiten als bildender Künstler vor dem Horizont einer sich verändernden modernen Öffentlichkeit. Zur Herstellung persönlicher und kollektiver Integrität sind ihm im Rahmen unserer Kontrollgesellschaften Formen der Selbstorganisation besonders wichtig. Kunst schafft für ihn mit den ihr innewohnenden Möglichkeiten von Reflexion, Analyse und Experiment zwar Schönheit, besitzt deswegen aber auch ein gesellschaftsveränderndes Potenzial.

 

Mitunter untersucht Dillemuth zur Überprüfung aktueller Fragestellungen historische Bewegungen und gesellschaftliche Umbruchsituationen. Die Recherchen zu Lebensreformbewegung, Räterepublik und alternativen Erneuerungsversuchen der 1970er stellt er jedoch stets mit experimentellen künstlerischen Mitteln auf die Probe. Ergebnisse dieser Experimente sind Installationen, Inszenierungen und kollaborative Arbeiten ebenso wie Videos, Vorträge und Publikationen.

 

Stephan Dillemuth: “Öffentlichkeit erscheint uns heute diffus, paralysiert und von Märkten tief zerfurcht. Institutionen selektieren und nobilitieren, sie schaffen Werte, sie definieren, wie Wissen zugänglich gemacht wird, sie übersetzen es in ein Verhältnis zur Öffentlichkeit. Im Gegensatz zur institutionellen Autorität macht sich die Ausstellung Öffentliche Verkehrsmittel verletzlich und versucht Zugang und Zugriff offen zu halten. Dies ist nötig, wenn wir untersuchen wollen, wie offene Quellen und offenes Wissen unsere Lebensverhältnisse verändern können.”

 

In seiner Ausstellung in der Galerie der Secession, Öffentliche Verkehrsmittel, reagiert Stephan Dillemuth auf die beschriebene institutionelle Situation unter anderem, indem er die Eingangssituation verändert. Der Zugang zu den Ausstellungsräumen ist ausschließlich direkt von außen über den rechten Seiteneingang der Secession möglich und die Öffnungszeiten sind verlängert: Dienstag bis Sonntag jeweils von 10.00 bis 22.00 (!) Uhr.

 

Im Eingangsbereich seiner Ausstellung hat Stephan Dillemuth einen Brunnen platziert: “Die ursprüngliche Funktion eines Brunnens war die des Treffpunkts, des Dorfmittelpunkts an dem Neuigkeiten, Informationen und Tratsch ausgetauscht wurden. Früher war der Brunnen DIE Skulptur im öffentlichen Raum, heute hat er als solche kaum mehr Bedeutung. Dennoch wäre zu fragen, was heute die Neuen Orte oder Quellen wären, an denen sich Öffentlichkeit ausbildet – das sind Fragen nach Open Source und freiem Zugang zu Wissen.”

 

In der Installation Ohne Alles, auch ohne Titel, wird die Liveübertragung eines öffentlichen Raumes durch einen sich drehenden Sockel umlaufend auf die Wände geworfen. Angetrieben wird die Konstruktion von Zahnrädern, welche aus Gips gefertigt sind, auf dem Sockel liegt der Negativabguss eines Körpers. Die (fehlende) Präsenz des Subjekts in der Öffentlichkeit, ihre mechanischen, strukturellen Bedingtheiten, das Verschwimmen der Markierungen zwischen Öffentlichkeit und Privatheit verweisen auf Fragen nach einer wünschenswerten Gestaltbarkeit von Öffentlichkeit, bzw. deren Neukonstruktion.

 

Konkret werden diese Fragen in der Videoarbeit The Hard Way to Enlightenment(Der arge Weg zur Erkenntnis – Dramatisierung eines Vortrags über ‘The Academy and the Corporate Public’) angesprochen und auf Künstlerrollen und Ausbildungsprozesse übertragen. Das Video zeigt Dillemuth in einer Doppelrolle: Als Maler, der als angeblich selbstbestimmtes, autonomes Individuum ein politisches Sujet/Subjekt malt, und als einen Gefangenen. Im Text fasst Dillemuth seine Thesen zu künstlerischer Forschung, Boheme und Selbstorganisation zusammen und stellt sie als Formen der Selbstermächtigung und Selbst-Bildung dar. Kollektive Prozesse, die sich notwendig widerständig gegen die Privatisierung aller öffentlicher Belange (hier speziell Wissen und Bildung) wenden. Beigestellt ist der dialogischen Situation eine Ziege als “notwendige Gegenfigur”.

 

Manche Arbeiten unterlegt Stephan Dillemuth mit einer brüchigen Ironie. In A Certain Lack of Coherence verwendet er Marcel Duchamps Étant donné. Zu sehen ist die “Abschneidung des deutschen Phallus am eigenen Körper” des Künstlers sowohl durch ein Guckloch im Ausstellungsraum, als auch durch das Schlüsselloch der Tür, die für gewöhnlich in den Ausstellungsraum führt, der sich jedoch nun von der Secession abgeschnitten, bzw. “secessioniert” hat.




Künstler*innen
Stephan Dillemuth

geboren 1954 in Büdingen, Hessen, lebt in Bad Wiessee, Bayern.

Programmiert vom Vorstand der Secession


Vereinigung bildender Künstler*innen Wiener Secession
Friedrichstraße 12
1010 Wien
Tel. +43-1-587 53 07