Stan Douglas
Klatsassin
24.11.2006 – 28.1.2007
Der kanadische Künstler Stan Douglas, dessen Werke seit Mitte der 1980er Jahren in renommierten internationalen Kunstinstitutionen wie auch auf der Documenta und der Biennale in Venedig zu sehen waren, ist für seine hochkomplexen und technisch perfekten Film- und Videoarbeiten bekannt, welche die Möglichkeiten des Mediums kontinuierlich erweitern, um nichtlineare Erzählformen und überraschende Zeitmodelle zu konstruieren. Die konzeptuelle und formale Präzision von Douglas Filmen ist auch für seine Fotografien charakteristisch.
Klatsassin, der Name eines Tchilcot’in Häuptlings, ist titelgebend für den neuesten Film von Stan Douglas, der in voller Länge erstmals in der Secession gezeigt wird. Angesiedelt im 19. Jahrhundert in den Wäldern des kanadischen Cariboo, setzt die Handlung unmittelbar nach den historischen Ereignissen um eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen Ureinwohnern und Einwanderern ein. Goldfunde lockten damals Personen unterschiedlichster Herkunft in die Region.
Klatsassin nimmt Bezug auf Akira Kurosawas legendären Film Rashomon(1950), der für die vielfachen, gegenläufigen Darstellungen eines Mordes bekannt ist, und somit die Unmöglichkeit thematisiert, die eine Wahrheit darzustellen. Auch in Douglas High-Definition Video schildern mehrere Personen jeweils aus ihrer eigenen Perspektive dieselbe Szene. Ein Mann wird auf einem verlassenen Weg im Wald tot aufgefunden – bis nicht mehr nachvollzogen werden kann, was tatsächlich passiert ist. Verschiedene Zeit- und Handlungsstränge, Perspektivwechsel, Rückblicke und Einschübe verdichten die eigentlich überschaubare Handlung zu einem vielschichtigen Ganzen, das sich jedoch nie vollständig erfassen lässt – dies allein schon wegen der scheinbar unendlichen Kombinationsmöglichkeiten der Szenenfolgen, welche sich erst nach sechs Tagen zu wiederholen beginnen. Die Variationen ineinander verwobener Handlungen entwickeln sich ähnlich wie ein musikalisches Stück, das ebenfalls von Wiederholungen und Motiven lebt, weshalb Douglas den Film auch als „Dub Western“ bezeichnet.
Wer hat was wann gesehen? Wie sicher kann man sich des Gesehenen und der erinnerten Bilder, die sich mit der Zeit verändern, sein, wie ist die Glaubwürdigkeit der Berichte anderer einzuschätzen? Klatsassin handelt von der Unmöglichkeit, Wahrheit oder Objektivität aus Bildern, Sprache und Musik zu destillieren und verweist auf die Konstruiertheit und das Fragmentarische jeglicher Erfahrung und Identität.
In den Seitenschiffen des Hauptraumes sind zwei Fotoserien von Stan Douglas zu sehen, die im engen Zusammenhang mit dem Film entstanden sind, jedoch eigenständige Werkzyklen darstellen.
Die eine Serie zeigt menschenleere, aber eindeutig bewohnte Landschaften und Aufnahmen von Innenräumen aus British Columbia. Die Fotografien, welche sich teilweise den Formaten einer Kinoleinwand annähern, bieten keinen unbestimmten Blick in die weite Landschaft Kanadas, sondern beschreiben ganz konkret lokalisierbare Orte: Maritime Worker’s Hall , Vancouver, McLeod’s Books, Quesnel Forks, Stanley Cemetery, Barkerville Mason’s Lodge, Spences Bridge, Walhachin.
Die zweite Serie portraitiert die Figuren aus Klatsassin in schwarz/weiß und vor leerem Hintergund. Auch hier bleiben trotz der detailgenauen, scheinbar objektiven Wiedergabe viele Fragen offen: Wer wird repräsentiert? Die Filmcharaktere, individuelle Persönlichkeiten oder Personen, die Darsteller in einem Film von Stan Douglas sind?
geboren 1960 in Vancouver, lebt und arbeitet in Vancouver.