menü
de / en

SoiL Thornton
Choosing Suitor
15.9. – 12.11.2023

https://secession.at/items/uploads/images/1695647194_eQTvRzjZf99.jpg

SoiL Thornton, Choosing Suitor, Ausstellungsansicht, Secession 2023, Foto: Sophie Pölzl

SoiL Thornton wurde 1990 in den USA geboren, lebt und arbeitet heute in Brooklyn, New York, und versteht sich als non-binäre Person. Deren Pronomen sind they / them. Thorntons Kunst überwindet die Grenzen zwischen Medien und reicht von Malerei, Skulptur und Fotografie bis hin zur Installation. Deren Werke werden international in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen präsentiert, darüber hinaus kuratiert Thornton auch selbst.

 

SoiL setzt sich mit Identitätspolitiken, Diversität, Ordnungssystemen und Regularien auseinander. Anstatt mit der auf Social-Media- und Dating-Plattformen vorherrschenden Kultivierung des Individualismus zu spielen und die eigene Persona und Biografie als Kapital zu begreifen und zu überhöhen, interessiert sich SoiL für die Bedingungen und Regelwerke verschiedener Systeme, auch jene des Kunstbetriebs. Diese (äußeren) Ordnungen dienen Thornton als „neutrale“ Hilfsmittel für künstlerische Entscheidungen – ihnen zu folgen (oder nicht) –; zugleich hat die Künstler*infigur die Möglichkeit, hinter diesem strukturellen Setting zu verschwinden. 

 

Für die Ausstellung Choosing Suitor hat Thornton eine Reihe neuer Arbeiten geschaffen. Die Angaben zu den Werken und deren Titel bieten wissenswerte inhaltliche Hinweise. Sie lassen Thorntons lustvolles Spiel mit Sprache und Bedeutung spüren und weisen durchaus lyrische Qualitäten auf. 

 

Zunächst sind Besucher*innen unmittelbar mit einem Eingriff Thorntons konfrontiert: Der Eingang zum Ausstellungsraum ist durch eine große aufblasbare Skulptur blockiert, die auch den Blick in den Raum verstellt. Das Husband Chair (SV)** betitelte Objekt wurde eigens für die Ausstellung angefertigt und ist mit knapp 26 Metern Breite auf die Maße des Raums zugeschnitten. Die Höhe und Tiefe der Skulptur leiten sich wiederum von der Körpergröße der Kuratorin der Ausstellung ab. Durch seine Positionierung ist man gezwungen, die Ausstellung über die Hintertüre zu betreten – ein unüblicher Zugang. Mit dieser Verschiebung soll uns ins Bewusstsein gerufen werden, dass es immer mehrere alternative Standpunkte gibt und wir die Fähigkeit haben, Perspektiven zu ändern und uns neu zu orientieren. Die künstlich geschaffene Einschränkung soll die Aufmerksamkeit auch auf ein weiteres Thema lenken: nämlich die Frage nach der angeblichen gesellschaftlichen Barrierefreiheit von Institutionen, Räumen und Diskursen der Kunst und wie diese tatsächlich hergestellt und gelebt werden kann.

 

Sind Besucher*innen einmal im Raum, entfaltet sich die Aufblasskulptur in vollem Umfang vor ihren Augen. Die Installation umfasst weiters Fotoprints und Bildserien, auf dem Boden sind zufällig verteilte Objekte zu sehen; mit kleinen Spiegelfliesen versehene Fundstücke von Baustellen-Absperrungen, die in dem für New York charakteristischen dunkelgrün gestrichen sind, akzentuieren Raumgrenzen. Eine umfangreiche Fotoserie von Tinder-Profilen mit den üblichen Angaben zu Namen, Alter und Entfernung, jedoch vor abstrahierten Farbflächen anstatt „frisierter“ Profilfotos, zieht sich als horizontale Linie über die Wände im Eingangsbereich. Auf dem Boden verstreut liegt rosa Plüschspielzeug mit individuellen rosarot, hellblau und weiß bestickten Namensschildern. Es handelt sich dabei um hybride Zusammensetzungen aus jeweils einem Mädchen- und einem Bubennamen von den aktuell beliebtesten Kindernamen in den USA; Buchstaben aus Holz, die ehemals als Weihnachtsdeko dienten, sind mit kleinen grünen Nummernschildchen versehen – sie spielen auf die gängige Form zur Erfassung und Identifizierung von Nutztieren an – im Gegensatz zur Namensgebung. Einige Buchstaben bleiben unbenutzt, während andere in den Boden geschraubt sind und als Satz oder Frage gelesen werden könnten (IS MR MS).

 

Eine Name that Grisaille [frei übersetzt: Wie heißt diese Grisaille?] betitelte wandfüllende Arbeit besteht aus monochrom leuchtend grün bemalten Blättern, neben sonst leeren weißen Blättern, auf die Namen in unterschiedlichen Handschriften mit rotem Nagellack geschrieben sind, ausgeführt von Menschen aus SoiLs Umfeld. Wer verbirgt sich hinter Fiona, Graham oder Puppies? Fragen, etwa ob man Eigenschaften einer Person wie Geschlecht, Gender, kulturellen oder sozialen Hintergrund vom Namen ableiten oder einen Namenszug (Signatur) als „Label“ kommerziell verwerten kann, stehen hier zur Diskussion. 

 

Die Dominanz einer „heteronormativen Normalität“ stellt Thornton in Frage. Unter anderem ist diese in konventionellen Zuschreibungen nach Namen oder Farben und an bestimmten Dresscodes ablesbar. Man denke nur an Rosarot und Babyblau, die immer noch Geschlechterklischees bedienen. Eine neutrale Alternative zu diesen mit Bedeutung aufgeladenen Farben sieht SoiL in einem leuchtenden Neongrün. In Film- und Fernsehproduktionen wird diese Farbe für sogenannte „Green Screens“ eingesetzt, die es ermöglichen, Hintergründe einfach auszutauschen. Die grünen Farbflächen eröffnen stellvertretend Raum für freie gedankliche Projektionen und andere Lesarten. 

 

Begleitend zur Ausstellung ist eine spannende Publikation erschienen: Street-style-Fotografien, die SoiL seit 2015 mit dem Handy macht, werden mit Codes einer Spiele-App für zahllose Genderidentitäten und Sexualitäten kombiniert. Der Instagram-Account choosing_suitor_intervention ist eine Art Live-Feed an Bildern, Wörtern, Ideen und bietet seltene Einblicke in SoiLs Denkweise zum Beispiel, wenn SoiL eine Analogie zwischen Tinder und der Kunstwelt zieht, beide als „Marktplätze der Aufmerksamkeit“ sieht, wo es üblich ist, eine (perfekte) „Persona“ – ein Scheinbild – zu schaffen. 

 

 

** Als „husband chair“ bezeichnet man in den USA eine Sitzgelegenheit, häufig in Modeboutiquen oder Luxusgeschäften, für die Begleitung (hier werden, wie die Bezeichnung schon sagt, zumeist (Ehe-)Männer angenommen).

 

Besucher*innen können die Ausstellung durch den Eingang an der Rückseite der Secession betreten.

Video
Publikation
SoiL Thornton. Choosing Suitor, Publikation

SoiL Thornton. Choosing Suitor, Publikation 

Digitale Publikation

SoiL Thornton. Choosing Suitor

SoiL Thornton. Choosing Suitor, Foto: Iris Ranzinger

SoiL Thornton. Choosing Suitor, Foto: Iris Ranzinger




Künstler*innen
SoiL Thornton

wurde 1990 geboren und lebt und arbeitet in Brooklyn, New York.

Programmiert vom Vorstand der Secession

Kuratiert von
Jeanette Pacher

Vereinigung bildender Künstler*innen Wiener Secession
Friedrichstraße 12
1010 Wien
Tel. +43-1-587 53 07