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Ron Nagle
Nocturn Around
23.11.2019 – 9.2.2020

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Ron Nagle, Nocturn Around, 2018 © Ron Nagle, Courtesy Matthew Marks Gallery

In der Secession zeigt der aus San Francisco stammende Künstler eine Auswahl von 25 Skulpturen und Zeichnungen aus den letzten Jahren.

Ron Nagle verfolgt seit rund sechs Jahrzehnten als bildender Künstler und Musiker parallel verlaufende Karrieren. Seine kleinformatigen Skulpturen aus Keramik sind zugleich Miniaturlandschaften, abstrakte Kompositionen, Form gewordene Gedanken oder Bildwitze – Nagles Humor und Vorliebe für Wort- und Sprachspiele äußern sich nicht nur in seinen Liedtexten, sondern auch in den Titeln seiner Skulpturen. So wird aus Formulierungen wie beispielsweise „finishing touch“ (letzter Schliff) „Finishing Touchéz (letzter Treffer)“ – wobei Nagele stets betont, dass die Titel keine inhaltliche Verbindung zu den Objekten haben und nicht als Schlüssel für das Verständnis der Werke gelesen werden sollen.

Struktur, Form, Farbigkeit und nicht zuletzt immer wieder die Oberflächenbearbeitung kennzeichnen neben dem Miniaturformat die Arbeiten des Künstlers, der seit den 1950er-Jahren konsequent an einer Neudefinition von Ton als künstlerischem Material arbeitet. Seine Entwicklung ist eng verwoben mit einer Bewegung aus dieser Zeit, die heute als California Clay Movement bekannt ist und der es speziell um die Aufwertung und Etablierung keramischer Materialien als vollwertige künstlerische Medien ging. In seinen Werken manifestieren sich zahlreiche Einflüsse aus der europäischen und amerikanischen Malerei, aus der japanischen Keramik der Azuchi-Momoyama-Zeit (1573–1603) und sogar der Hot-Rod-Kultur.

Nagles Skulpturen sind Objekte von hohem Perfektionsgrad – kaum größer als 15 cm, in kräftigen leuchtenden Farben gehalten –, die neben der Frage nach der Darstellung auch die nach der Art der Herstellung aufwerfen. Die Bearbeitung der Oberfläche und das Erzielen bestimmter Effekte sind zentrale Anliegen des Künstlers. Ein charakteristisches Motiv ist eine dicke, glänzende, scheinbar in der Fließbewegung erstarrte tropfende Masse. Farbkontraste beziehungsweise farblich kontrastierende Lackierungen, die aussehen als würde sich eine Farbe wie eine Staubschicht über die darunterliegende Farbe legen, zeugen von Nagles schelmischem Witz, der sich nicht zuletzt in den eingangs erwähnten humoristischen und wortspielerischen Titeln manifestiert.

Über die Jahre erweiterte der Künstler sein technisches Spektrum zunehmend um andere Materialien, die sich in erster Linie nach dem von ihm angestrebten Effekt richten: Hat er eine bestimmte Oberflächen- oder Farbgestaltung als Ziel vor Augen, wählt er dasjenige Material, das für die Umsetzung am geeignetsten ist. So bestehen seine Skulpturen nicht nur aus Ton sondern auch aus anderen Materialien wie Kunstharzen oder Kunststoffen. Charakteristisch sind seine raffinierte und ausgeklügelte Farbpalette und die Leuchtkraft der Farben. Diese erzielt er durch das Arbeiten mit dem Airbrush und einem in vielen Schichten aufgetragenen, aufwendigen Lackier- und Polierverfahren aber auch durch die Verwendung hochwertiger Autolacke (daher auch die Verbindung zu den Hot-Rods – das sind umgebaute und auffrisierte Oldtimer mit makelloser Lackierung und mitunter ausgefallenen Farbeffekten).

Ausgangspunkt bei der Entstehung der Objekte sind immer Skizzen, die Nagle oft nebenbei, während anderer Tätigkeiten und wenn die Gedanken abschweifen, anfertigt. Die Verbindung zur Zeichnung bleibt auch im ausgeführten Werk stark und vielfach oszillieren die Objekte zwischen ihrem Status als Skulptur und dem eines Bildes. Das wird vor allem dann deutlich, wenn Nagle die Position der Betrachtung durch die Präsentation in Wandvitrinen festlegt und damit klar eine Vorderseite und bevorzugte Sicht definiert – das ist eigentlich charakteristisch für ein zweidimensionales Bild. Diese Form der Präsentation erinnert auch an eine Bühne, welche die ZuschauerInnen im Normalfall nur aus einer Richtung – frontal – sehen.

Es ist faszinierend, mit welcher Konsequenz Nagle seit mehr als 60 Jahren an seinen kleinformatigen Objekten aus Keramik arbeitet und feilt und wie er durch Experiment und Innovationsgeist über die Jahre viele weitere Materialien für sich entdeckte. Seine Anfänge waren geprägt durch innovative Künstler und Künstlerinnen, wie Peter Voulkos, der mit seinen am Amerikanischen Abstrakten Expressionismus orientierten gegenstandslosen Großskulpturen die Sicht auf Ton als künstlerisches Medium revolutionierte. Unterstützt wurde diese Entwicklung nicht zuletzt durch den Ausbau der Kunsthoch­schulen, dem Aufbau eigener keramischer Abteilungen und der Berufung von visionären Professorinnen und Professoren, die zum Teil Einflüsse und technische Entwicklungen aus anderen Kulturkreisen mitbrachten, wie die aus Finnland in die USA emigrierte Künstlerin Maija Grotell oder Toshiko Takaezu, eine Künstlerin mit japanischen Wurzeln.




Künstler*innen
Ron Nagle

geboren 1939 in San Francisco, lebt und arbeitet in San Francisco.

Programmiert vom Vorstand der Secession

Kuratiert von
Bettina Spörr

Vereinigung bildender Künstler*innen Wiener Secession
Friedrichstraße 12
1010 Wien
Tel. +43-1-587 53 07