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Robert Irwin
Double Blind
5.7. – 1.9.2013

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Robert Irwin, Double Blind, Ausstellungsansicht, Secession 2013, Foto: Philipp Scholz Rittermann

Im Hauptraum der Secession präsentiert der US-amerikanische Künstler Robert Irwin seine neue Installation Double Blind. Die Arbeit reagiert auf die spezifischen Gegebenheiten des Raums, wofür der Künstler den Begriff „site-conditioned“ (ortsbedingt) geprägt hat. Die Installation ist eine von wenigen dieser Art, die Irwin in Europa realisiert hat. Double Blind reiht sich als aktuelles Werk in seine kontinuierliche Auseinandersetzung mit Wahrnehmung und Verstehen, mit Licht, Ästhetik und mit Fragen zu Realität und Illusion ein.

 

Im Frühjahr 2012 hat Robert Irwin für seine Ausstellung Dotting the i’s and Crossing the t’s: Part I aus vier getönten Fenstern der Pace Gallery in New York jeweils ein Quadrat ausgeschnitten, wodurch die Geräusche und Gerüche der Umgebung in den Ausstellungsraum strömen konnten. An den gegenüber liegenden Wänden hingen auf Hochglanz polierte monochrome Malereien in schwarz und weiß, auf deren Oberflächen sich die Umgebung spiegelte: Fenster, andere Werke, der Ausstellungsraum, BesucherInnen. Die Intervention war subtil und wirkungsvoll zugleich und bündelte viele der künstlerischen Fragestellungen, die Irwin seit Jahrzehnten begleiten, allen voran die Frage, wie wir unsere Umgebung wahrnehmen. „Man denkt nicht, ob etwas Kunst ist oder nicht. Es geht nur darum, was man sieht oder nicht sieht.“ kommentierte er seine Herangehensweise in einem Interview*. 

Auch in seiner Arbeit Scrim Veil – Black Rectangle – Natural Light, die er 1977 für das Whitney Museum of American Art realisierte und die nach 36 Jahren nun wieder dort zu sehen ist**, war der Eingriff in den Raum minimal. „Der Raum war allerdings nicht ganz leer – und im Werk von Herrn Irwin kann „nicht ganz“ die ganze Welt bedeuten.“***

 

Wahrnehmung und Erfahrung beschäftigen Irwin, seitdem er in den 1950er Jahren in Los Angeles seine künstlerische Laufbahn mit abstrakt-expressionistischer Malerei begann. Bald tauchten Zweifel an der Zulänglichkeit des Tafelbildes als Abbild von Realität auf, und er begann als einer der Pioniere der kalifornischen „Light and Space“-Bewegung, der in den 1960er Jahren u.a. Larry Bell, John McCracken, James Turrell und Doug Wheeler angehörten, Plexiglas, transluzente Stoffe, reflektierende Oberflächen und Leuchtstoffröhren einzusetzen. Diese Materialien unterstützten die Verbindung seiner Arbeiten mit deren Umgebung. Eine zentrale Frage, die den Paradigmenwechsel in seinem Werk einläutete. war: „Was war das für eine ‘Realität’, die sich ein solches Maß an Abstraktion anmaßen konnte, wie in der Forderung zum Ausdruck kommt, die Welt habe am Rand meiner Leinwand zu enden? Und was wäre es für eine Welt, die solche Grenzen nicht kennt?”****

 

Als Folge seines Strebens nach einer Kunst, die nicht durch die Größe der Leinwand limitiert ist, gab Irwin 1970 sein Atelier auf und damit die Idee von einer durch ihre Objekthaftigkeit definierte Kunst zugunsten einer Kunst, die der Erscheinung, dem Phänomenalen verschrieben ist. Seither realisiert er Arbeiten, die er als „site-conditioned“ bezeichnet. Anders als bei „standortdominierenden”, „standortangepassten” und „ortspezifischen” Arbeiten, die zwar auf einen spezifischen Ort Bezug nehmen, diesen einbeziehen, in ihrer Rezeption als Kunstwerk jedoch immer souverän bleiben, nehmen seine Installationen erst mit dem sie umgebenden Raum und den dort vorherrschenden Konditionen ihre jeweilige Erscheinung an. Diese ist nicht auf einen anderen Ort übertragbar. Eine Qualität, die diesen Arbeiten innewohnt, ist, dass sie die Grenzen der Kunst zu Architektur, Landschaft, Stadtplanung, Nützlichkeit überwinden können.****

 

Seit Mitte der 1970er-Jahre hat Irwin fast 60 solcher ortsbedingter Arbeiten realisiert, darunter die Gestaltung des Vorplatzes und die der permanenten Präsentation der Sammlung der Dia Foundation gewidmeten Räumlichkeiten in Beacon, New York oder die Gärten des Getty Center in Los Angeles. Gegenwärtig sind bei Pace London in den historischen Räumen der Royal Academy of Arts zwei neue ortsbedingte Arbeiten zu sehen: Who’s Afraid of Red, Yellow & Blue III und Piccadilly.

 

Mit Double Blind reagiert Irwin auf die Charakteristika des Hauptraums der Secession: Der fensterlose Raum wirkt wie ein neutraler Behälter für Kunst. Die hermetische Abgeschlossenheit unterstreicht den Eindruck, es mit einem massiven und isolierten Volumen zu tun zu haben. Decken- und Bodenraster unterstreichen die Strenge und rhythmisieren den Raum. Mit dem von oben hereinströmenden Tageslicht wird jedoch auch die Außenwelt spürbar. Tageszeiten und die oft schnell wechselnden Wetterverhältnisse lassen sich an der sich verändernden Intensität des Lichts im Raum erahnen.

 

Die Installation Double Blind besteht aus 30 raumhohen, mit transluzentem Stoff bespannten Rahmen, die exakt dem raumdefinierenden Raster folgen und drei Körper bilden. Je nach Standpunkt des/der BetrachterIn und je nach Lichteinfall und -intensität verändert sich die Erscheinung der Installation wie auch die des Raums an sich. Die Tür zum Garten hinter der Secession steht offen, so dass der Außenraum optisch und akustisch wahrnehmbar wird.

 

„Ich habe mich immer gefragt, was das eigentliche Thema der Kunst sei. Was ihren hohen Stellenwert legitimiere. (…) Kunst, die beispielsweise Politik zu ihrem Thema macht, ist Politik, nicht Kunst. Doch Politik kann viele Formen annehmen. (…) Das einzige Thema der Kunst ist die reine Erkenntnis des Menschen, immer und immer wieder zu sehen.“ (Robert Irwin, 2013)

 

* Siehe: http://galleristny.com/2012/09/blink-and-youll-miss-it-robert-irwin-brings-his-mind-bending-art-to-new-york/, Andrew Russeth, 11.9.2012
** Die Installation Scrim Veil – Black Rectangle – Natural Light war bis 1. September 2013 im Whitney Museum of American Art, New York zu sehen. http://whitney.org/Exhibitions/RobertIrwin
*** Siehe: Randy Kennedy, “Back at the Whitney, Tinkering with Perception”, The New York Times, 16. Juni 2013
**** Vgl.: Robert Irwin, “Being and Circumstance / Dasein und Umgebung”, Ausstellungskatalog, Secession, Wien 2013

Robert Irwin, geboren 1928 in Long Beach, Kalifornien, lebt und arbeitet in San Diego, Kalifornien.




Künstler*innen
Robert Irwin

geboren 1928 in Long Beach, Kalifornien, lebt und arbeitet in San Diego, Kalifornien.

Programmiert vom Vorstand der Secession

Kuratiert von
Jeanette Pacher

Vereinigung bildender Künstler*innen Wiener Secession
Friedrichstraße 12
1010 Wien
Tel. +43-1-587 53 07