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Renata Lucas
21.11.2014 – 25.1.2015

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Renata Lucas, Ausstellungsansicht, Secession 2014, Foto: Oliver Ottenschläger

Renata Lucas untersucht in ihren Arbeiten, wie die gebaute Umgebung soziale Beziehungen und Handlungen beeinflusst. Architektonische Elemente versteht sie dabei als die Sprache eines Gebäudes oder Ortes. In ortsspezifischen Interventionen manipuliert sie bauliche Strukturen, um gesellschaftlich definierte Räume und deren Nutzung zu dekonstruieren und neue, spielerische Möglichkeiten zu erproben. Mittels der Methoden der Hinzufügung, Verdoppelung oder Überlagerung entwirft sie subtile Veränderungen, die eine alternative Wahrnehmung eines Ortes anbieten.

 

In der Galerie realisiert Renata Lucas ihre Intervention Ø (Secession 2014). Zwei in beide Richtungen bewegliche Drehtüren, die sich optisch in die architektonische Sprache des Gebäudes einfügen, leiten die BesucherInnen in einer beinahe tänzerischen Bewegung vom Eingang zur Galerie hin zum gegenüberliegenden Notausgang. Gleichzeitig fungieren die Türen als mechanischer Antrieb für zwei in den Boden eingelassene Plattenspieler. Sobald sich eine Türe dreht, um jemanden passieren zu lassen, dreht sich auch der Plattenteller und ein Klang ertönt: die Bewegung der BesucherInnen und der Sound sind unmittelbar in Einklang gebracht. Je nachdem in welchem Tempo und in welche Richtung die Türe betätigt wird, klingt die Melodie des Popsongs jedoch verzerrt, zu hoch oder zu tief, mitunter auch rückwärts. Bezugnehmend auf ihre räumliche Intervention und die Bewegung der BesucherInnen, hat Lucas kurze Ausschnitte aus den Lyrics gewählt: “she’ll come”, “she’ll go”. Die Songzeilen sind in einer Endlosschleife gefangen, denn die Plattennadel springt, von einem Stück Tape blockiert, immer wieder zurück.

 

Konzeptueller Ausgangspunkt für die Interventionen der Künstlerin in der Secession ist die Erzählung Plan de evasión (1945) des argentinischen Schriftstellers Adolfo Bioy Casares. In Form von Tagebuch-einträgen schildert ein Häftling die zweifelhaften Experimente seines Gefängnisdirektors auf einer Gefangeneninsel vor Französisch-Guayana: Mit Hilfe operativer Eingriffe manipuliert dieser die Sinnes-wahrnehmungen der Insassen, um sie trotz ihrer auswegslosen Situation Freiheit erleben zu lassen – wenn auch nur in Gedanken. Vor diesem literarischen Hintergrund und konfrontiert mit zahllosen Restriktionen, die ein denkmalgeschütztes Gebäude mit sich bringt, unternimmt Renata Lucas in der hermetischen räumlichen Situation im Souterrain der Secession den Versuch, die Verbindung von Innen- und Außenraum zu unterstreichen.

 

Plan de evasión [Fluchtplan] findet in Lucas’ gleichnamiger Arbeit (Secession 2014) auf außergewöhnliche Weise einen Weg zu arglosen LeserInnen und damit zu ihrer Öffentlichkeit: Die Künstlerin hat Casares’ Erzählung in sechs Kapitel unterteilt, die in Bücher aus dem Sortiment des Secessions-Shops geschmuggelt werden. Dazu entfernte ein Buchbinder Seiten aus den ausgewählten Büchern und band an deren Stelle die jeweiligen Fragmente von Casares’ Text in der spanischen Originalfassung ein. Auf diese Weise fügen sich die Seiten kaum merklich, quasi parasitär, in die Bücher ein.

 

Lucas’ aus Literaturfragmenten, im Loop gefangenen Songzeilen und architektonischen Elementen bestehende Interventionen in der Secession ergeben sowohl buchstäblich als auch sinnbildlich einen Fluchtweg. In beiden Fällen erweisen sich die BesucherInnen der Ausstellung als ProtagonistInnen, die ihre Arbeit erst komplettieren.

 

 

 




Künstler*innen
Renata Lucas

geboren 1971 in Ribeirão Preto (Brasilien), lebt und arbeitet in Rio de Janeiro.

Programmiert vom Vorstand der Secession

Kuratiert von
Jeanette Pacher (Secession)

Vereinigung bildender Künstler*innen Wiener Secession
Friedrichstraße 12
1010 Wien
Tel. +43-1-587 53 07