Ralo Mayer
Das Muster der Schatten des Spaceframe der Biosphere 2, das die Sonne am 26. September 2041 auf den Boden der Savanne projiziert, ähnelt zwischen 10:24 und 14:02 auffällig einer Penrose Parkettierung; und während ich diese Zeitrafferaufnahme der Ruine mehrmals betrachte, spiegelt sich im Monitor der Blick aus dem Fenster nach draußen.
19.9. – 9.11.2008
Welche Handlungsformen und kulturellen Praktiken werden durch Weltmodelle und Miniatur-Universen, beispielsweise in der Science Fiction-Literatur, postuliert? Inwieweit spiegeln sich in der Konstruktion und Interpretation solcher Modelle die gesellschaftliche Organisation und Kanalisation von Kreativität und Begehren? In der Recherche-Serie How to Do Things With Worlds geht Ralo Mayer (in Zusammenarbeit mit Philipp Haupt u.a.) seit einigen Jahren diesen Fragen nach. In Form von Scripts, Performances, Comic-Strips und räumlichen Szenerien entwickelte er polyrhythmische narrative Strukturen, die in einer Verschränkung von fiktiven und dokumentarischen Materialien verschiedene Modellwelten und die ihnen eingeschriebenen Raum- und Zeitentwürfe untersuchen.
Für seine Ausstellung in der Secession fokussiert Ralo Mayer auf die Biosphere 2, ein zwischen 1987 und 1991 in Arizona als abgeschlossenes Ökosystem konstruiertes Glashaus, in dem acht WissenschaftlerInnen für die Dauer von zwei Jahren die Vision einer Welt im Kleinen und deren Scheitern lebten. Der privat finanzierte, gigantische Kristallpalast, der einst als wissenschaftliches Testmodell für Weltraumkolonien diente, ist heute eine Space-Age Ruine. Ralo Mayer begreift die Biosphere 2 sowohl als Scharnier, das die Aufbruchstimmung in den 1960-70er Jahren und die damit einhergehende Suche nach alternativen Lebensformen mit den aktuellen globalen Veränderungen verbindet, als auch als burleske Allegorie einer allumfassenden Kontrolle der Gesamtheit des Lebens.
Ralo Mayers bereits länger währende Bearbeitung dieser Thematik, sein Werkverständnis ebenso wie seine Arbeitsweise ist geprägt durch den Ansatz der performativen Recherche, einer prozessorientierten, künstlerischen Wissensproduktion. So nähert er sich der Biosphere 2 als Übersetzer des historischen Science Fiction-Romans The Ninth Biospherian; dieses imaginäre Buch nimmt erst durch die Übertragung in unterschiedliche fragmentarische und situationsbezogene Fassungen Gestalt an. In der Secession zeigt er ein Ensemble von ineinander verschränkten (Versuchs-) Anordnungen: Listen und Textbruchstücke auf Clipboards, ein geschlossenes Ökosystem in einer Glaskugel, ein an die Chronofotografien von Eadweard Muybridge erinnerndes Zeitraffer-Set sowie die “parataktische Ruine eines Dokumentarfilms über Biosphere 2”.
Gemeinsam ist den einzelnen Elementen, dass sie die Mechanimen einer dynamischen Wechselwirkung zwischen strukturierten, kristallinen Ordnungen und organischen Prozessen im Kontext postfordistischer Produktion ins Bild setzen und zugleich die Möglichkeiten und Verschiebungen hinterfragen, die durch die zweidimensionale Projektion von mehrdimensionalen Systemen entstehen.
Weitere im Werk Ralo Mayers durchgehend verhandelte Motive sind das Hinterfragen der eigenen Erzählerposition und Autorenschaft und die Verschränkung von Fiktion und Realität. Deutlich wird dies daran, dass die Ausstellung im Rahmen der Zeitschrift Multiplex Fiction präsentiert wird, einem metamorphen Publikations- und Kollaborationsformat; so entstanden Video- und Audioumsetzung für die Secession in Zusammenarbeit mit der Performerin Krõõt Juurak und dem Musiker Andreas Berger.
Eingeladen von Sabine Bitter und Christian Teckert
geboren 1976 in Eisenstadt, lebt und arbeitet in Wien.