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Die Praxis von Nilbar Güreş umfasst Fotografie, Video, Film, Malerei, Performance, Skulptur, Installation sowie Mixed-Media-Collagen auf Stoff. Ihre Werke haben oft biografische Ansätze und weiten sich zu größeren Themen aus, wobei sie sich besonders mit sozialer Ungerechtigkeit, Geschlechterrollen und kulturellen Identitätscodes beschäftigt. Güreş erforscht, dokumentiert und findet poetische Wege, um Konventionen durch humorvolle Figurationen zu hinterfragen.

 

 

Nilbar Güreş, Acik Telefon Kulübesi / Open Phone Booth, 2011

Dreikanal-HD-Videoinstallation, Farbe, Ton, 33:46 min.

Courtesy die Künstlerin und Galerie Martin Janda, Wien

 

Open Phone Booth ist ein Telefon inmitten einer offenen Landschaft – eigentlich nichts Ungewöhnliches im Zeitalter des Mobiltelefons. Doch in Nilbar Güreş’ Video-Installation wird dieses Telefon in einem geopolitischen Kontext gezeigt: in einer Region der östlichen Türkei, wo die Infrastruktur in den letzten Jahrzehnten aufgrund von Konflikten erheblich beschädigt wurde. Diese Schäden umfassen den Zusammenbruch der lokalen Telefonzentrale und das Fehlen von Telefonmasten. Die Bewohner*innen des kurdisch-alevitischen Dorfes Bingöl, die Güreş in ihren Filmen begleitet, müssen die umliegenden Hügel erklimmen, um überhaupt Empfang auf ihren Mobiltelefonen zu haben. Diese Menschen suchen nicht die idyllische Abgeschiedenheit, sondern sind gezwungen, den beschwerlichen Aufstieg zu bewältigen, um private und berufliche Angelegenheiten zu regeln.

 

In Open Phone Booth zeigt Güreş mit großer Sensibilität, jedoch ohne Sentimentalität, das Paradoxon einer immer schneller werdenden Welt, die von Technologie und wirtschaftlichen Interessen beherrscht wird, und den mühsamen Kampf der Menschen, die unter fast archaischen Bedingungen leben.

 

 

Nilbar Güreş, Land, 2017–24

Mischtechnik auf Stoff

218 x 105 cm

Courtesy die Künstlerin und Galerie Martin Janda, Wien

 

"Diese Arbeit begann im Jahr 2017. Das ist unser Dorf: Wölfe, Bären, Drohnen, Telefone und Internet; Kommunikationsprobleme. Die Natur, die im Geschaffenen existiert, vereint in einem. Es ist Nacht, eine Drohne fliegt vorbei, und eine Tür führt zu einem Haus im Dorf.

 

Ich habe auch ein echtes altes Telefon verwendet, das ich zerlegt und in diese Collage integriert habe. Dabei habe ich Farben aus verschiedenen Kulturen verwendet: kurdische und armenische. Außerdem habe ich Wolle und eine sehr alte Matratzenhülle aus den 1970er-Jahren verarbeitet. 

Binnenmigration wird oft nicht als Problem anerkannt, ist aber tatsächlich eines. Kurd*innen, die nicht einmal Türkisch sprechen, sind gezwungen, ihre Heimat zu verlassen, um in großen Städten Lebensmittel und Arbeit zu finden.

In meiner Arbeit sind viele Drähte enthalten, die eine Assemblage bilden. Jede Nummer entspricht einem Buchstaben, daher habe ich die Drähte und Buchstaben entsprechend angeordnet. Die Formen sind ebenfalls durch Drähte gestaltet und repräsentieren einige der Tiere aus der Region. Der braune Teil steht für die weiche, wellige und sich bewegende Erde." 

 

 

Nilbar Güreş, Van Lake / One Lake, 2024

Mischtechnik auf Gewebesack aus Polypropylen 

60 x 83 cm 

Courtesy die Künstlerin und Galerie Martin Janda, Wien

 

"Ich glaube nicht an Grenzen, deshalb verwende ich keine Flaggen, sondern eher deren Farben, weil Farben Kulturen symbolisieren. Der Vansee liegt in einer Region, die kurdisch, armenisch, arabisch und jüdisch geprägt ist, und befindet sich sehr nahe an zwei Grenzen.

 

Hier habe ich meine Karte erstellt, auf der der Vansee durch ein Buch fließt. Dieses Buch stammt aus einem Restaurant und wurde von einem Kellner genutzt. Die weiße Wolle, die ich verwendet habe, ist eine gängige Farbe bei Kurd*innen und Armenier*innen. Das Hintergrundmaterial ist eine Tasche, die sich durch ihre Widerstandsfähigkeit auszeichnet und zum Transport von Käse, Butter und ähnlichen Produkten aus der Region in größere Städte verwendet wird, in denen die Emigrant*innen ansässig sind.

 

Die zwei Drähte repräsentieren zwei Figuren, deren Geschlecht wir nicht kennen. Sie überlappen sich. Vansee: ein See."

 

 

Nilbar Güreş, From Yesterday to Yesterday, 2024

Fotos aus dem Güreş-Familienalbum

Courtesy die Künstlerin und Galerie Martin Janda, Wien

 

Familienfotoalbum aus verschiedenen Zeitpunkten. Sie schaffen einen Rahmen, in dem kein Bild zu sehen ist. Denn „gewöhnlich“ ist der Rahmen das Bild.

 

Güreş erwarb einen B.A. in Malerei an der Fakultät für Bildende Künste der Marmara-Universität in Istanbul/TR, sowie einen M.A. in Malerei und Grafik an der Akademie der bildenden Künste in Wien/AT. Nach ihrem M.A. studierte sie zudem Kunst- und Textilpädagogik an der Universität für angewandte Kunst in Wien/AT. Zu ihren zahlreichen Auszeichnungen zählen der Outstanding Artist Award für Fotografie des österreichischen Ministeriums für Kunst und Kultur 2023, das Forschungsstipendium desselben Ministeriums, der Hilde-Goldschmidt-Preis 2013, der Otto-Mauer-Preis 2014, der BC21 (Belvedere Contemporary) Art Award 2015 in Österreich, der De'Longhi Art Projects Artist Award der London Art Fair 2018 sowie der Prix Maud Mottier Award 2021. 2012 erhielt Güreş zudem ein Stipendium am International Studio & Curatorial Program in New York/USA, unterstützt vom BMUKK, Wien/AT.

 

Nilbar Güreş, geboren 1977 in Istanbul/TR, lebt und arbeitet in Neapel/IT, Wien/AT und Istanbul/TR.

 



Vereinigung bildender Künstler*innen Wiener Secession
Friedrichstraße 12
1010 Wien
Tel. +43-1-587 53 07