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Nicole Eisenman
Dark Light
14.9. – 5.11.2017

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Nicole Eisenman, Dark Light, Ausstellungsansicht, Secession 2017, Foto: Sophie Thun

Nicole Eisenman etablierte sich in der New Yorker Kunstszene der 1990er-Jahre als Schöpferin epischer Bildwelten und Entwerferin mutiger und unverblümter, mitunter schockierender Tableaus. Sie bewegt sich mit traumwandlerischer Sicherheit in der Malereigeschichte der Neuzeit und verleiht phantastischen Szenen ebenso Form wie scharfsinnigen Beobachtungen aus dem Alltagsleben. Trotz ihrer stilistischen Vielseitigkeit, die sie bewusst fixen Definitionen und Einschränkungen entgegensetzt, entwickelte Eisenman einen unverkennbaren Stil, indem sie klassische Malweisen und Kompositionsformen mit Einflüssen aus Untergrund- und Populärkultur vereinte. Privates und Politisches treffen in ihrem Werk aufeinander. Dass sie dabei auch ihr eigenes Lebensumfeld abbildet, macht sie zu einer wichtigen Figur der internationalen Kunstszene.

Zuletzt erregte Eisenman Aufsehen mit ihrer Neuinterpretation einer barocken Brunnenanlage für die Skulptur Projekte Münster. In der Secession zeigt sie kürzlich vollendete Gemälde und Zeichnungen, die unmittelbar als Reaktion auf die letzte US-Präsidentenwahl entstanden sind. In apokalyptischen Szenen thematisierte Eisenman schon des Öfteren Machtverhältnisse und die Ohnmacht des Individuums. Ihr neuester Werkzyklus schließt hier an: sie zeichnet ein düsteres Bild Amerikas unter der Herrschaft Donald Trumps und einer Gesellschaft, die teilnahmslos und abwesend kurz vor dem Abgrund steht.

Im Zentrum der Ausstellung stehen das namensgebende Gemälde Dark Light und Going Down River on the USS J-Bone of an Ass, beides monumentale Bildwerke mit ausgeklügelten Kompositionen, die unterschiedlicher kaum sein könnten.

Dark Light (2017) zeigt einen Mann mit roter Baseballkappe auf der Ladefläche eines Pick-up-Trucks stehend, umgeben von drei schlafenden Männern. Sein weit ausgestreckter rechter Arm hält eine Taschenlampe, aus der ein starker schwarz-blauer Lichtstrahl aus dem Bild hinausführt. Weit über ihm ragt ein silbern glänzendes Rohr in die Höhe, aus dem eine dichte schwarze Rauchwolke quillt. Gleichzeitig ergießt sich aus einer runden, von Aureolen umgebenen Öffnung am Himmel eine schwarze Flüssigkeit, wohl eine Anspielung auf Erdöl.

Vordergründig bezieht sich das Bild auf „rolling coal“, ein Phänomen aus den USA, bei dem Dieselautos – vornehmlich Pick-up-Trucks – so umgebaut werden, dass auf Knopfdruck mehr Diesel eingespritzt wird als der Motor verbrennen kann und sich daraufhin eine infernalische schwarze Rauchwolke bildet. Eingesetzt wird diese neben einschlägigen Wettbewerben vorzugsweise gegen FarhrradfahrerInnen, FußgängerInnen und Hybridautos. Aber auch Anti-Trump-Proteste wurden schon auf diese Weise mit den extrem gesundheitsschädlichen Dieselabgasen eingenebelt und aufgelöst. Der politische Flügel dieser „Freizeitbewegung“ positioniert sich in deutlicher Gegnerschaft zum ehemaligen Präsidenten Barack Obama und dessen Bemühungen zu Umweltpolitik und Klimaschutz nach dem Motto „Wenn Obama für die Umwelt ist, sind wir dagegen.“ Dass das Verhältnis zum gegenwärtigen US-Präsidenten freundlicher ist, darauf spielt die rote Baseballkappe des „Führers“ an, da solche Kappen mit dem Slogan „Make America Great Again“ im Wahlkampf omnipräsent waren.

Going Down River on the USS J-Bone of an Ass (2017) ist nicht weniger unheimlich, wenngleich enigmatischer. Anders als Dark Light, das flächig gemalt ist und bei dem sich alle Elemente auf einer Ebene im Vordergrund befinden, ist es kleinteiliger angelegt und erinnert mit seiner räumlichen Staffelung des Bildraumes und der Charakteristik der Landschaft an die italienische Malerei des Trecento. Mehrere Objekte und ein Boot steuern dem Abgrund eines Wasserfalls zu. Ein schwimmender, gigantischer Unterkieferknochen (J-Bone) trägt einen Mann mit einer Flöte, einen Matrosen und einen Geschäftsmann im Anzug – der an die vielfach von Eisenman in früheren Gemälden zitierten Bankiers und Geschäftsmänner von George Grosz erinnert. Der Pfeifer pfeift, der Trommler (im roten Boot) trommelt und alle sind seltsam ruhig, unbeteiligt oder schlafen, wie die Gruppe von Männern im Boot, die den „Jüngern“ im Truck nicht unähnlich sind. Mittendrin treibt ein Eichhörnchen mit einer Eichel in den Pfoten auf einem Holzbrett dem Abgrund entgegen. Die Ruhe im Bild ist verstörend, handelt es sich doch um ein schicksalhaftes, dramatisches Ereignis, das unmittelbar und unvermeidlich bevorsteht und von dem wir uns alle ausrechnen können, wie es ausgehen wird.

In der Secession zeigt Eisenman neben den neuen Gemälden auch Zeichnungen, die zumeist als Studien und Vorskizzen entstanden sind. Die Einblicke, die die Künstlerin damit in ihren Arbeitsprozess gewährt, machen die Zeichnungen zu einem heimlichen Highlight der Ausstellung. So gibt es beispielsweise eine Zeichnung, in der die zentralen Elemente beider Gemälde vereint sind. Auch werden die formalen – und inhaltlichen – Bezüge zum dritten Gemälde in der Ausstellung, Shooter 2 (2016) – deutlich: ein beinahe abstraktes Gemälde in grellen Farben, das einen direkt auf die BetrachterInnen gerichteten Pistolenlauf zeigt und in seiner Unmittelbarkeit und Gewaltsamkeit schockierend ist. Die Zeichnungen offenbaren durch Eisenmans formale und kompositorische Studien Kontinuitätslinien, die rein aus der Betrachtung der Gemälde nicht so leicht ablesbar wären.

Ausstellungsgespräch

Veranstaltungen
13.09.2017 | 18:00
Nicole Eisenman im Gespräch mit Monika Baer
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Künstler*innen
Nicole Eisenman

geboren 1965 in Verdun (Frankreich), lebt und arbeitet in New York City.

Programmiert vom Vorstand der Secession

Kuratiert von
Bettina Spörr

Vereinigung bildender Künstler*innen Wiener Secession
Friedrichstraße 12
1010 Wien
Tel. +43-1-587 53 07