


Biographie:
Min Yoon (geb. 1986 in Cheon-An, KR) lebt und arbeitet in Wien, AT. Für seine Zeichnungen, Malereien und Skulpturen verwendet er „künstlerische Materialien“, die in seinen Werken als Objekt und Motiv erneut auftauchen. Oft zu Installationen arrangiert, kreisen sie um die „Natur“ der künstlerischen Arbeit und ihre Repräsentation. Ausstellungen (Auswahl): Perspective + ing, Galerie Francesca Pia, Zürich, CH (2024); Mind Hours Hand Minutes, Galerie Lars Friedrich, Berlin, DE (2023); Neue Ambitionen, Bundeskanzleramt, Wien, AT, 2023; A Scene for 210cm, Neuer Essener Kunstverein, Essen, DE (2021); Galerie Meyer Kainer, Wien, AT (2019).
Werke:
Min Yoon, Untitled, 2024
Leder und Faden
175 x 56 cm
Courtesy der Künstler
Min Yoon, Untitled, 2021
Leder, Faden und Seil
Maße variabel
Courtesy der Künstler
Fast alle heben irgendwann einmal ein Blatt auf und legen es dann wieder auf den Boden. Andere Blätter landen zwischen den Seiten von Büchern. Sie bleiben als Spur der Bewegungen des täglichen Lebens zurück: aufgelesen auf dem Weg zur Schule, zur Arbeit, nach Hause oder in ein besseres Leben. Min Yoons Herstellung von Lederblättern begann während seiner Studienzeit. Sie dokumentieren das Hin und Her seiner täglichen Bewegung durch die urbanen Landschaften unterschiedlicher Städte: die abgeworfenen Blätter der Bäume aus den Bezirken Wiens oder in Südkorea gesammelte Vorboten des Herbstes. Ein „Werk“ nach dem anderen: die unbetitelten Blätter resultieren aus repetitiver Näharbeit mit der Hand. Der Produktionsprozess des von Yoon für die Blätter verwendeten, handelsüblichen Rohmaterials verursacht Beschädigungen, Kratzer und gelegentlich Löcher auf der Rückseite. Aufgrund des Faltenwurfs und der Verwerfungen des dünnen Materials bleiben in Yoons Arbeiten beide Seiten des Leders sichtbar. Durch das Stanzen weiterer Löcher und Einfärbungen mit Kaffee trieb der Künstler das Erscheinungsbild früherer “verwitterter” Blätter noch weiter in Richtung Verfall. Für die Ausstellung Forms of Shadow nahm Yoon die Arbeit an einem unvollendet gebliebenen Blatt erneut auf und zeigt es neben einer älteren Arbeit mit übergroß eingeprägten Münzen. Die Punkte, Fotogramme, entstanden aus dem Schattenwurf umlaufenden Kleingeldes verschiedener Länder: 1.310 koreanische Won, 45 Euro und 32 Cents, 8 kroatische Kuna, 4 dänische Kronen, 30 Schweizer Rappen und 6 US-Cents wurden auf das Blatt gelegt, das während der Lagerung im Freien an den unbedeckten Stellen durch Sonneneinstrahlung verblasste. Der Anblick der Lederblätter lässt die Betrachtenden möglicherweise an das Symbol des Blattes in Literatur, Kunst und Kunsthandwerk denken, aber auch an die “Kreativität” von Kindern, die Formen unter Verwendung von Materialien aus ihrer Umgebung hervorbringen. Mit überdimensionalen Versionen wiederholt Yoon die symbolischen und ornamentalen Werte dieses aufgeladenen Zeichens im kodierten und nahezu beliebig dehnbaren Diskurs der zeitgenössischen Kunst. Die Frage ist: Warum heben wir noch immer Blätter auf?