Lisa Holzer
Was trägt Sie?
23.11.2019 – 9.2.2020
Zuerst verschwindet etwas. Die Ausstellung beginnt im Stiegenaufgang zum Kabinett mit einem Farbauftrag, der übersehen werden wird. Die dunkelgrauen Befestigungen der Geländer – es sind ja jetzt zwei zur Sicherheit – verschwinden in der Farbe der Wand. Sie scheinen in der Luft zu hängen. Fast so, als könnte ich sie Ihnen zuwerfen.
Im Kabinett fehlt das Licht. Diese Ausstellung braucht – ne, verlangt graues Tageslicht. Zu sehen sind leuchtende Pigmentdrucke, sehr bunte – ich sollte die Farben limitieren –, fast clowneske Bilder – das wäre cooler. Sie zeigen Weintrauben und Weintrauben in weißer Schokolade. Die Trauben sind riesig. Ich dachte, Weintrauben passen gut zu Österreich. Es ist eine Tageslicht-, eine Bewegungsausstellung. Die Jahreszeit ist dafür vielleicht nur nicht die richtige.
Das Licht wegzunehmen ist eine gegenläufige Bewegung zum Hinzufügen der Farbe auf die Befestigung der Geländer. Und doch wird zweimal etwas weggenommen.
Am Tag der Eröffnung, am 22. November, wird die Sonne schon um 16:08 Uhr untergegangen sein. Und da funktionieren die Bilder lieber nicht. Sie nehmen sich zurück, verwirklichen sich schlecht oder gar nicht. Jedenfalls können sie weniger, versagen in ihrem Bildsein oder zumindest ihrem Ausgestelltsein, weil der Tag schon fehlt. Als könnte ich mir das leisten. Oder die Dunkelheit öffnet die Ausstellung zu etwas anderem hin. Und sie werden darüber reden.
Dark realities. Die Realität hat keine Tür. Das Kabinett auch nicht. Schiebetüren zählen nicht. Die kann man nicht zuschlagen. Und auch nicht…, die kann man nicht aufreißen. Die sparen nur Platz und gleiten.
Es war Schwäche, die mich zuerst zum Photoshop geführt hat. Ideenlosigkeit. Ein Sich-erschöpft-Anlehnen im Photoshop. Sind überarbeitete Traubenfotos realistischer? Deeply realistic durch Verfremdung?
Fotografie beschreibt ein Verhältnis zwischen Licht und Verspätung. Die beide keinen guten oder greifbaren Partner abgeben. Man kann sie als Figur der Negativität oder Medium der Aufhebung lesen. Wir erreichen die Trauben nicht.
Oder wie passiv-aggressiv ist Fotografie?
Die Bilder hängen zu hoch. Es kann sein, dass das nicht stimmt. Der Raum ist zu niedrig. Eine zusätzliche Wand hat den fast quadratischen Grundriss des Kabinetts unterbrochen und die leere Mitte
verstellt. Spiegelplatten an ihrer Rückseite spiegeln, als wären sie betrunken.
Parkplä̈tze sind seltsam und kosten Geld. Figuren des Schlafs und eines Todes, der vorü̈bergeht. Es ist eine Bewegungsausstellung wegen dem Wetter etc. etc., dem Licht. Und wegen dem Begehren, dem Drive. Ich möchte dann gerne parken, zahlen und gehen. Ich hatte auch überlegt, Parkplatzfotos zu zeigen. Allerdings ist die Idee von Parkplätzen – auch als Negative von Autos – befriedigender, als Bilder von Parkplätzen. You drive me crazy.
Au, Ä
Das objet petit a nach Lacan beschreibt die Objektursache des Begehrens. Ich habe meine spielerisch naive Lesart der möglichen Wirkung des objet petit a und die Schwierigkeiten damit zuletzt bezüglich der Affinität von flush und flash und deren phonetischem a und ä bzw. deren schriftlichem u und a beschrieben. In Anlehnung daran würde sowohl die Traube im Deutschen als auch grape im Englischen, die jeweils ein kleines a im Namen haben, schriftlich Begehren evozieren. Was in der Folge beide schriftlich glücklich bzw. zu Trägern einer Begehrensursache machen würde. Phonetisch hingegen nicht. Da wird das ader Traube zum au und das a der grape zum ä.
Die Trauben hängen (immer) zu hoch (für fast alle), bleiben ein Versprechen, sind nicht zu greifen wie die positiv märchenhaften Effekte des Trickle-down-Effekts. Die trickeln down-stairs und sind nirgends zu finden. Waren sie nie. Hier ist es sowieso zu dunkel.
hinunter
Die Richtung von weißer Schokolade ist auch nur hinunter. Von einigen der Trauben tropft schwer weiße Schokolade hinunter. Unten ist es schmutzig weißlich oder irgendeine Farbe oder gar nichts. Außer weißer Schokolade, trickled also nichts down upstairs. Das Geld liegt nicht auf der Straße.
Trauben müssen hängen. Kunst muss gar nichts. Ich möchte mich jetzt gerne hinlegen. Kunst hat die im positivsten Sinne unmögliche Position, nichts zu müssen.
Die Einladungskarte ist eine Rechnung für einen Clownkragen, den ich vor Jahren gekauft habe. Die Rechnung ist vom Winter 2008. Die Rechnung ist allerdings lustiger als der Kragen. Was war 2008?
Ein 15-minütiger Audioguide, der auch als Pdf auf der Homepage der Secession abrufbar ist, erzählt Ihnen alles, wenn ich nicht da bin.
Wovon werden Sie getragen? Der Titel der Ausstellung Was trägt Sie? ist eine Frage, die ich aus Heike Geißlers (!) Buch Saisonarbeit abgewandelt ausgeborgt habe. Vielleicht, weil sie mich aufgehalten hat.
Ich würde/wollte Gucci-Tränen tragen. Die aus der Herbst-Winter-2019-Schau. Die rinnen nicht runter. Die verschmier’n mir die Wimperntusche nicht. Auch Ihre nicht.
Was trägt Sie?
(Text von Lisa Holzer)
geboren 1971 in Wien, lebt und arbeitet in Berlin und Wien.