Linda Bilda
Linda Bilda for Ernst Schmidt jr.
13.9. – 11.11.2001
Ein zentrales Thema der Arbeiten von Linda Bilda ist die Produktion von (Gegen-)Öffentlichkeit. Dieses Interesse verfolgt die Künstlerin sowohl in ihren (Komik-)Zeichnungen, welche publiziert in Zeitschriften und eigenen Magazinen gesellschaftskritische Textproduktionen kraftvoll in Szene setzen, als auch als Mitglied des Redaktionskollektivs der feministischen Kunstzeitschrift Die weisse Blatt oder als Begründerin des mittlerweile legendären Artclub Wien.
Mit dem österreichischen Avantgarde-Filmemacher Ernst Schmidt jr. (1938-1988) verbindet Linda Bilda das Interesse an kollektiven Arbeitsprozessen zur Förderung nicht-hierarchischer Bilder der Gesellschaft sowie das Erarbeiten von Text-Bild-Verhältnissen, die visuelle und sprachliche Materialien aus konventionellen Texturen lösen und zu neuen Sequenzen komponieren.
Diese intensive Beschäftigung mit der künstlerischen Haltung Schmidt jr. sowie das Interesse neben seinem filmhistorischen und -theoretischen Werk auch bisher großteils unveröffentlichte Manuskripte und Konzepte der Öffentlichkeit zu präsentieren bilden die Basis für die Ausstellung Linda Bilda for Ernst Schmidt jr. in der Galerie der Secession. Die Ausstellung Linda Bilda for Ernst Schmidt jr. intendiert keine Retrospektive des 1988 verstorbenen Filmemachers, vielmehr beleuchten die von Linda Bilda recherchierten Archivmaterialien das bemerkenswerte Schaffen von Schmidt jr. punktuell, um es zugleich anhand von ausgewählten Themenkreisen in aktuelle Kunst- und Mediendiskurse zurückzuschleusen.
Die Informationen bestehend aus Korrespondenzen, Plakaten, Filmkadern, Konzepten und Fotos, welche mithilfe verschiedener Techniken (u.a. Fotoemulsion, Frottage) auf die Wände der Galerie übergetragen sind, organisieren sich um die Felder Ökonomie des (Avantgarde-)Films und des Filmschaffens, Musik, das Crossover von Film und bildender Kunst, Erfolg und Nichterfolg, Geschichte versus Subgeschichte (das Bewahren und das Verschwinden von Informationen) sowie kollektive künstlerische Vorgangsweisen. Eine Expanded-Cinema-Installation, die Uraufführung eines temporären Ausstellungskonzeptes und die Einbeziehung von Positionen zeitgenössischer Video-KünstlerInnen (wie z.B. Terese Schulmeister oder Anna Kowalska, Mikki Muhr und Ulrike Müller), integrieren das Bestreben von Schmidt jr., den filmischen Raum und die Förderung einer Filmkultur in einem erweiterten Kontext zu denken.
Ernst Schmidt jr. war unabhängiger Filmemacher und Filmhistoriker in einer Person und eine zentrale Figur der österreichischen Avantgardefilm-Szene der 1970er-Jahre. Sein filmisches Werk umfasst experimentelle Dokumentarfilme (u.a. über den Wiener Aktionismus), Filme, welche Material oder das Kino selbst reflektieren, Expanded-Cinema-Aktionen, Konzeptfilme, welche in gesellschaftliche Mechanismen eingreifen, sowie einen erzählerischen Spielfilm oder Animationsfilm.
“Das Medium selbst ist in erster Linie Thema des Filmemachers. Die Veränderbarkeit des Mediums, ob im Detail oder als Ganzes, ermöglichte neue Informationen. Eine freie Information bedeutet zugleich eine von konventionellen Normen abgesetzte Information. Kein Film soll einem anderen gleichen. Dem Filmemacher stehen stets neue veränderbare und erweiterbare Möglichkeiten zur Verfügung. Dennoch hat Ernst Schmidt jr. kein fixiertes Konzept von Film. Für ihn ist Film ein Medium zur Auseinandersetzung nicht nur mit sich selbst, sondern auch mit dem eigenen Kontext, mit Musik, bildender Kunst und Literatur, sowie Problemen gesellschaftlicher Realität. Sein gesamtes filmisches Werk ist ein einziges Vergehen gegen die Normen der Filmsprache, der Technik und des Genres, ein Spielen damit und ein ständiges Infragestellen, auch der Werte und Normen der Avantgarde”. (Ernst Schmidt jr. über Ernst Schmidt jr.)
Diese intermediale und kompromisslose Perspektive auf die Filmkultur formulierte Ernst Schmidt jr. bereits früh als Co-Autor (gemeinsam mit Hans Scheugl) der Publikation Eine Subgeschichte des Films. Lexikon des Avantgarde-, Experimental- und Undergroundfilms (1974) und anderen zahlreichen Veröffentlichungen und Texten.
geboren 1963, lebt und arbeitet in Wien.