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Leopold Kessler
Perforation Kal. 10 mm
22.2. – 15.4.2007

https://secession.at/items/uploads/images/1661844209_DUjYzEiz8BaS.jpeg
Leopold Kessler, Perforation Kal. 10 mm, 2007, Videostill

Die Arbeiten von Leopold Kessler beschäftigen sich mit dem öffentlichen Raum, untersuchen die Topografie der Stadt – von Verkehrsführungen, die das urbane Leben strukturieren, bis zu Verhaltensweisen, die durch diese bestimmt werden. Plätze, Wege, Straßenschilder oder Absperrungen sind Ziel der Interventionen Kesslers und dienen als Material für seine Skulpturen. Darüber hinaus verweist er immer wieder auf die Lücken und Löcher in der systematischen Organisation des gemeinschaftlichen Raumes.

 

Für eine Ausstellung in der Neuen Galerie in Graz 2006 erhöhte Kessler den Wasserdruck des Erzherzog-Johann-Brunnens auf dem Grazer Hauptplatz, so dass Wasser für einen bestimmten Zeitraum auf den Boden floss. Dazu entstand ein Video, das den Platz mit dem Brunnen in der Mitte wie aus einer touristischen Perspektive zeigt. Dieser touristische Blick auf die Stadt ist ein begehrlicher und anmaßender, der hofft, ihre Komplexität und undurchsichtige Mobilität lesbar und handhabbar zu machen. Kessler arbeitet zwar im und mit dem öffentlichen Raum, jedoch handelt er nicht im öffentlichen Auftrag. Seine unangemeldeten Handlungen oder Eingriffe geschehen nahezu unbemerkt, da sie sich tarnen bzw. den Anschein genehmigter Amtshandlungen oder Baumaßnahmen geben.

 

Für die Secession produziert Leopold Kessler das High Definition Video Perforation Kal. 10 mm, das eine Serie von Interventionen an verschiedenen Stellen in Wien zeigt: Mit der allergrößten Selbstverständlichkeit geht ein Mann (Leopold Kessler) wie ein Straßenarbeiter gekleidet morgens, wenn es noch ganz ruhig ist, durch die Stadt und durchlöchert Straßenschilder mit einer überdimensionalen Lochzange. Die hat er eigens für sein Vorhaben angefertigt. Das erscheint umständlich, da die Schilder mit einigem Kraftaufwand und einem Begleitgeräusch perforiert werden und es verwundert die operative Gelassenheit mit der sich Kessler immerhin der Gefahr einer Ordnungsstrafe aussetzt, mit einigem Aufwand gleich mehrere Orte aufsucht, um dann doch nur minimale Spuren zu hinterlassen, deren Sinn nicht unmittelbar lesbar ist.

 

Kessler lenkt den Blick auf die Frage der Umkehrung von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit, denn gerade die weithin leuchtende neon-orange Straßenweste macht ihn für die meisten Menschen unsichtbar. In der Ausstellungssituation erhält seine Geste sogar internationale Aufmerksamkeit.

 

Interessiert Leopold Kessler das Loch oder das Schild? Funktionieren die perforierten Schilder noch als Verkehrszeichen oder sind sie schon auf dem Weg zu begehrten Sammlerobjekten? Ab wann ergibt sich aus den unregelmäßig angeordneten Löchern ein Muster. Verbinden sich die Loch-Punkte zur Linie, zur Fläche, wenn Kessler durch die Stadt geht? Thomas Bernhard beschreibt das Gehen als Anlass und Ausdruck von Denkvorgängen, die das Verhältnis von Bewegung und Stillstand reflektieren. Oder lassen Löcher doch nur auf den Gebrauch von Schusswaffen schließen? Durchschossene Straßenschilder sind kein unvertrauter Anblick in Randgebieten vieler Metropolen, darüber hinaus verweist die Wahl der Einschusslöcher indirekt wieder auf den touristischen Blick, der selbst die drohende Gefahr als urbane Attraktion sucht. Und was könnte touristischer sein als die Secession, eines der meistfotografierten Gebäude der Stadt, in welchem diese Arbeit gezeigt wird?

 




Künstler*innen
Leopold Kessler

geboren 1976, lebt und arbeitet in Wien.

Programmiert vom Vorstand der Secession


Vereinigung bildender Künstler*innen Wiener Secession
Friedrichstraße 12
1010 Wien
Tel. +43-1-587 53 07