Lecia Dole-Recio
2.12.2011 – 5.2.2012
Im Zentrum der Malerei von Lecia Dole-Recio steht die Materialität des Bildträgers, auf dem die Künstlerin arbeitet und den sie gleichzeitig bearbeitet. Dole-Recio verwendet in der Regel keine vorgefertigten Leinwände, sondern produziert ihre Oberflächen selbst: Sie collagiert u. a. Papier, diverse Kartonagen und Textilien zu einem Beschichtungsuntergrund, in den sie nach der malerischen Bearbeitung einschneidet und somit dekonstruiert. Die Sättigung und Komposition der Farben tragen dabei genauso zur Charakteristik ihrer Werke bei, wie die Tiefe der positiven und negativen Räume, die sie mit dem Stanleymesser formt. Lecia Dole-Recio lebt in Los Angeles, wo sie am renommierten Art Center in Pasadena unterrichtet. In der Ausstellung im Grafischen Kabinett zeigt die Künstlerin eine Auswahl ihrer jüngsten Arbeiten.
Die Bedingungen des Mediums der Malerei sowie die Geschichte der Abstraktion sind wichtige Referenzpunkte für die künstlerische Praxis von Lecia Dole-Recio. Ihre Bildkompositionen sind durch komplexe Schichtungen unterschiedlicher Materialien, präzise Schnitte und die Anordnung geometrischer Formen zu organisch wirkenden Konstellationen und Mustern, die über den Bildgrund hinaus sowie in den Raum hinein wirken, gekennzeichnet.
In ihrer ersten Ausstellung in Österreich zeigt die Künstlerin eine Auswahl aktueller Arbeiten. Die Thematisierung einer räumlichen Wahrnehmung von Malerei, die in ihren älteren Arbeiten manifest ist, wird im neuen Werkkomplex um eine zeitliche Komponente erweitert. Dole-Recio verwendet hier Reste und Abfallprodukte früherer Arbeitsprozesse – quasi Negativbilder bereits existierender Arbeiten –, die sie in bewährter Manier collagiert und bearbeitet. Sie hebt so nicht nur die Unterscheidung von “wertvollem” Material und Abfall auf, sondern unterstreicht auch die Vielschichtigkeit und Prozesshaftigkeit ihrer Kunst.
Es wird klar, dass eine Künstlerin wie Dole-Recio das abstrakte Tafelbild als Ausgangspunkt nimmt, es aber in der Folge mittels des theoretischen und formalen Inventars von Installation dekonstruiert. Schon in ihren frühen Bildern ist dies durchaus im wörtlichen Sinn sichtbar: Fragile Papierteile und andere Materialien sind auf der Leinwand appliziert, die Klarheit und Stabilität, die wir aus vergangener abstrakter Malerei kennen, scheint aufgelöst, der sinnliche Eindruck ist auf den ersten Blick oft eher mit einem Calder-Mobile vergleichbar als mit Malerei. Die Bilder sind nicht an die Leinwand gebunden, ihre Materialität verflüchtigt sich in den Raum um sie.
Bei ihren neuen Arbeiten wagt sich Dole-Recio noch näher an Motive und Oberflächen der klassischen Abstraktion heran. Die Bildflächen sind stabiler, zunächst scheint viel mehr Klarheit gegeben zu sein. Gleich geblieben sind aber die Methode der Collage und die Materialien – neben der Farbe – wie Stoff oder Karton. Erst bei näherem Hinsehen lösen sich die Inhalte wieder aus dem Bild heraus: Auch hier sind die Materialien aufgeklebt, die Leinwand ist im materiellen Sinn der Rahmen und durch ihre Farbe als solche unsichtbar gemacht. Einige der verwendeten Materialien schauen wie Reste vergangener Arbeitsprozesse aus. Dies ist als Hinweis auf die Bildentstehung als Prozess zu lesen, der sich hier fast gleichberechtigt neben dem Bild als Idee anordnet. (Martin Prinzhorn, Auszug aus dem Katalogbeitrag)
geboren 1971 in San Francisco, lebt und arbeitet in Los Angeles.