menü
de / en

Jordan Strafer
LOOPHOLE
17.2. – 16.4.2023

https://secession.at/items/uploads/images/1676578008_inonDR2p6vk.jpg

Jordan Strafer, LOOPHOLE, Ausstellungsansicht, Secession 2023, Foto: Oliver Ottenschläger.

Die in New York lebende Künstlerin Jordan Strafer arbeitet vorwiegend mit Video. Ihr teils autobiografisches, teils fiktionales Werk spiegelt die komplexe Natur von ethnischer Identität, Geschlecht, Sexualität, Klasse und ‚Amerikanismus‘ wider. Ein zentraler Aspekt ihres künstlerischen Schaffens ergibt sich aus der sorgfältigen, dennoch spielerischen Choreografie von eigentlich konträren Emotionen. In ungewohnter Dichte schafft sie zugleich humorvolle und tragische, intime und sachliche, vertraute und ungewohnte, abstoßende und anziehende Situationen. Ausgehend von wahren Geschichten macht sie sichtbar, dass Realitäten selten dualistisch sind.

 

In ihren jüngeren Arbeiten tritt die Künstlerin immer weniger selbst als Darstellerin auf. Maskenbild, Kulisse und Requisiten kommt neben den Protagonist*innen eine eigenständige Rolle zu. Die wiederkehrende Verwendung von stilistischen Mitteln wie selbstgemachten Puppen, Masken, Gesichtsbemalung, Miniaturdarstellungen oder Attrappen betont die künstliche Beschaffenheit der Szene. Die oft absurd wirkenden Situationen lenken den Blick von der Handlung auf unsere Wahrnehmung um und erlauben durch ihre eindeutig inszenierte, verfremdete Form eine kritische Distanz von einer von fragwürdigen Moralvorstellungen und Ungerechtigkeiten geprägten Gesellschaft.

 

Für ihre Ausstellung LOOPHOLE in der Secession produziert die Künstlerin einen gleichnamigen neuen Kurzfilm, der eine Affäre zwischen einem Strafverteidiger und einer Geschworenen während eines in den 1990er Jahren in den USA vielbeachteten Vergewaltigungsprozesses behandelt. Anstatt den Prozess lediglich nachzustellen, konzentriert der Film sich auf die Affäre als potenzielle Bruchstelle im Justizsystem. Strafer stellt den Verlust von jeglicher Struktur und Ordnung dar und zeigt den Machtmissbrauch, die Gier und Korruption auf, die der verhandelten Vergewaltigung zugrunde lagen. Der Film verweist auf das damals sehr beliebte Genre des erotischen Thrillers und stellt die zutiefst ambivalenten Gefühle von Angst und Verlangen gegenüber.

 

Über Strafers Verweise auf Hollywoodfilme aus den 80er und 90er Jahren und die Verwendung von Verhandlungsprotokollen aus dem Prozess hinaus entstand LOOPHOLE vor dem Hintergrund ihrer eigenen Verbindung zur Thematik. „Ich bin der Fan und es geht um meine Mutter.“, erklärt Strafer in einem Gespräch mit Aram Moshayedi, warum sie ihre Arbeit als Fanfiction bezeichnet. Strafers Mutter tritt als Assistentin des Strafverteidigers auf, während die Figur ‚The Pen‘ auf ihr beruht. Statt sie aber lediglich als biografisches Detail einzubeziehen, unterstreicht Strafer, wie wichtig es ist, das wirkliche Leben und das Besondere als Quelle des Allgemeinen in ihre Kunst eingehen zu lassen.

 

Ihre Handlung durchsetzt Strafer mit Details, die sie fiktionalen wie realen Materialquellen entnimmt, ohne dass wir eindeutig unterscheiden könnten, welcher wir uns gegenübersehen: ihre Mutter bei einer Mahlzeit während einer Pause, deutlich hörbar kauend; ihr blaues Kostüm mit Seidenbluse, eine getreue Nachbildung der Kleidung, die sie während des Prozesses trug; das Stück Toilettenpapier auf einer Rasierwunde am Hals des Angeklagten; das verschwommene Gesicht des mutmaßlichen Opfers, genau wie man es in einem Dokumentarfilm erwarten würde; eine Feinstrumpfhose, die zwischen den Geschworenen weitergereicht wird; und nicht zuletzt die sonst unsichtbaren Silikonprothesen, die die Gesichter verändern und hier so offenkundig sind, dass sie fast zu eigenständigen Akteuren werden.

 

Strafer wechselt nahtlos zwischen Ereignissen, die man zu sehen erwarten würde, die fraglos auf den Bildschirm gehören, und solchen, die die Kamera nur zufällig eingefangen zu haben scheint. Indem sie die Beziehungen zwischen archetypischen Figuren erkundet und eine aus Fernsehseifenopern vertraute Ästhetik einsetzt, der sie allerdings beinahe willkürliche Momente entgegensetzt, versetzt Strafer die Zuschauer*innen in einen oszillierenden Raum notwendiger Interpretation und erspart ihnen weder emotionales Erleben noch die Erfahrung des Denkens. Man weiß nicht, ob man sich wohlfühlt oder betreten ist, sich für vernünftig oder unvernünftig halten soll: Ambivalenz macht sich breit, bis alles ins Wanken gerät und man sich dem eigenen moralischen und ethischen Dilemma stellen muss.

 

Eine Kooperation der Secession, Wien, Index - The Swedish Contemporary Art Foundation, Stockholm, KINDL — Zentrum für zeitgenössische Kunst, Berlin, und Ludwig Forum Aachen.

Video
Podcast
Publikation
Publikation Jordan Strafer

Digitale Publikation

Jordan Strafer. LOOPHOLE

Publikation Jordan Strafer

Foto: Iris Ranzinger




Künstler*innen
Jordan Strafer

geboren 1990 in Miami. Lebt und arbeitet in New York.

Programmiert vom Vorstand der Secession

Kuratiert von
Christian Lübbert (Secession)

Vereinigung bildender Künstler*innen Wiener Secession
Friedrichstraße 12
1010 Wien
Tel. +43-1-587 53 07