Jens Haaning
An Average Austrian Year Income
6.7. – 9.9.2007
Grenzen, die es zu überschreiten oder zu setzen gilt, Unterschiede, Ein- und Ausschlüsse sind ein zentrales Thema in den Arbeiten von Jens Haaning. Denn Grenzen – territoriale, nationale, sprachliche, soziale, ökonomische, kulturelle, rechtliche – regulieren das Zusammenleben unterschiedlicher Menschen und Interessensgruppen. Der dänische Künstler wurde mit institutionskritischen Arbeiten in den 1990er-Jahren bekannt. Seine Projekte fragen nach dem Politischen in der Kunst, wenn sie die Schnittstelle zwischen gesellschaftlicher Realität und kunstinstitutionellem Kontext auf ebenso verblüffende wie hintergründige Weise ausloten.
Haaning beschäftigt dabei vornehmlich die Frage, wie sich eine Gesellschaft konstituiert und wie Macht darin ausgedrückt und kommuniziert wird. Wer wird in welcher Form repräsentiert, wer hat überhaupt eine Stimme? Er richtet seine Aufmerksamkeit auf diejenigen, denen es nicht vergönnt ist, sich selbst in das dominante System einzuschreiben und dieses mitzubestimmen oder zu reflektieren. In seiner Arbeit legt Jens Haaning einen besonderen Fokus auf Integrationsprozesse von ImmigrantInnen und das Aufzeigen von kultureller Komplexität. Stets agiert er mit beispielhaften, alltäglichen Situationen.
So verlagerte er 1996 eine komplette Kleidermanufaktur, samt Infrastruktur und Angestellten für die Dauer seiner Ausstellung in eine Kunsthalle in Middelburg (NL). Grundlegendes Motiv war hier nicht nur ein institutionskritischer Ansatz, sondern auch ein modellhafter Vergleich zwischen ökonomischer und künstlerischer Arbeit. Der Wert der Arbeit in der von MigrantInnen betriebenen Textilfirma war einfacher zu bemessen, scheinbar realer, weil er sich als Gewinn in Zahlen bzw. in der produzierten Menge ausdrücken ließ. Der Mehrwert der künstlerischen Arbeit oder Handlung ist dagegen weniger ein ökonomischer, vielmehr funktioniert die Bewertung auf einer diskursiven Ebene ausgehend von der Frage der Übereinkunft, der Durchsetz- und vor allem der Sichtbarkeit.
Für die Secession hat Jens Haaning eine neue Arbeit, An Average Austrian Year Income (2007), entwickelt. Diese besteht aus einundfünfzig 500 €-Banknoten, einer 200 €-Banknote und zwei österreichischen 2 €-Münzen, sorgfältig arrangiert und gerahmt. Die Summe von 25.704 € entspricht einem durchschnittlichen österreichischen Jahreseinkommen im Jahr 2005 (Quelle: Statistik Austria) – eine Information, zu der jede Besucherin und jeder Besucher ganz unmittelbar einen Bezug herstellen, und dadurch in einen Dialog mit dem Kunstwerk treten kann. Zugleich durchleuchtet Haaning mit dieser Arbeit das Verhältnis von Kunst/Markt/Kapital, aber auch die Herstellung von Wert an sich. So erfährt der reale Tauschwert (nominelle Wert) des Geldes eine nicht nur symbolische, sondern eine tatsächlich ökonomische Aufwertung durch die Definition und Präsentation als künstlerische Arbeit, denn der Verkaufspreis der Arbeit wäre immer ein höherer als der tatsächliche Materialwert, erzeugt also Mehrwert. Die Hängung der Arbeit gegenüber der Kassa in der Eingangshalle ist hier ebenso wenig zufällig gewählt wie ein Diskurs über die Bewertung unterschiedlicher Arbeitsformen gewünscht und angeregt wird.
geboren 1965 in Hoersholm, lebt und arbeitet in Kopenhagen, Dänemark.