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Ibon Aranberri
Finite Location
13.2. – 30.3.2014

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Ibon Aranberri, Politica Hidráulica, 2004-2010, Installationsansicht, Secession 2014, Foto: Oliver Ottenschläger

In seiner ersten Einzelausstellung in Österreich mit dem Titel Finite Locationnimmt der baskische Künstler Ibon Aranberri eine Rekonfiguration der großen Fotoinstallation Política Hidráulica (2004-2010) und der Skulptur Found Dead (2007-2011) vor und setzt sie mit der neuen Arbeit The Partial Use of Senses (2014) in einen konstruktiven Dialog. Mit Blick auf die Idee einer imaginären Landschaft verzichtet er bewusst darauf, den thematischen Zusammenhang der Arbeiten herauszuarbeiten und eine schlüssige Narration zu konstruieren. Er lenkt stattdessen den Blick auf die Beziehungen und Verbindungen, die sich zwischen den Arbeiten ergeben. Mit dem Titel Finite Location (Endlicher Ort) betont Aranberri die Temporalität dieser Setzung, die zum Zeitpunkt ihrer Verbindung auch schon ihre Auflösung beinhaltet.

 

Aranberri bezieht sich in seinen Arbeiten häufig auf bestehende Strukturen wie Bauwerke, öffentliche Anlagen oder Kunstwerke und unterzieht sie einem analytischen Entschlüsselungsprozess. Er beschäftigt sich mit den verschiedenen Ebenen oder „Sedimenten“, die Kunstwerken zugrunde liegen oder sie ausmachen. Neben den inhaltlichen Referenzen eines Werkes zählen dazu sein Verhältnis zur ästhetischen Formengeschichte sowie die politischen und sozialen Rahmenbedingungen des Entstehungskontexts. Er greift insbesondere auf ästhetische Traditionen und Sujets zurück, die im lokalen kollektiven Gedächtnis verankert sind, die aber im Lauf der Zeit entweder ihre Lesbarkeit eingebüßt oder ihre ursprüngliche Bedeutung verloren haben. Das Dechiffrieren ästhetischer Zeichen als künstlerische Praxis ermöglicht es Aranberri, sich mit Ikonografie als visuellem Code zwischen Lokalität und Universalität zu befassen und den komplexen Verbindungen von Kunst, Gesellschaft und Politik zu begegnen.

 

Seine konzeptuellen Arbeiten zu Skulptur und Landschaft sind eng mit seiner Beschäftigung mit lokalen künstlerischen Traditionen verknüpft. Bei den Widersprüchen und Abweichungen von der hegemonialen Formensprache, die sich im lokalen Kontext herausgebildet haben, setzen Aranberris recherchebasierte Arbeiten an, die sich im Spannungsfeld von Skulptur, Objekt und (symbolischer) Landschaft bewegen. Die Verknüpfung von dokumentarischen Praktiken, Recherchen und Feldstudien mit ästhetischen und fiktiven Elementen ist charakteristisch für seinen künstlerischen Arbeitsprozess. Das Ergebnis sind Installationen von großer Komplexität, die eine Vielzahl von Medien wie Film, Fotografie und Skulpturen umfassen.

Besondere Beachtung schenkt Aranberri dem Format der Ausstellung, die für ihn ein ästhetisches und räumliches Ereignis von großer Bedeutung ist und gleich einem Organismus funktioniert: Die Autonomie und Individualität einzelner Arbeiten werden dem Wechselspiel ihrer Beziehungen, Verbindungen und Widersprüche untergeordnet. Bereits in seiner umfassenden Ausstellung Organigrama in der Fundació Antoni Tàpies 2011 hat er die Beziehungen unter den Werken auf ähnliche Weise als strukturelles Element der Ausstellung eingesetzt wie nun bei Finite Location.

 

Die Fotoinstallation Política Hidráulica gehört zu einer Serie von Studien zu infrastrukturellen Großbauprojekten in Europa seit den 1920-er Jahren und ihren wirtschaftlichen, politischen und sozialen Effekten sowie ihren ökologischen Auswirkungen. Sie besteht aus 98 Farb- und Schwarzweißfotografien und zeigt dutzende Staudämme und Wasserreservoirs in ganz Spanien und Portugal. Die Luftaufnahmen wurden vom Künstler beauftragt und über mehrere Jahre aufgenommen. Die nüchternen Abbildungen dieser hydraulischen Infrastrukturen und die professionellen Aufnahmen aus der Vogelperspektive suggerieren, dass es sich dabei um Bestandsfotografien handelt, die vielleicht vom Betreiber zu Repräsentationszwecken aufgenommen wurden. Tatsächlich kann man sich solche Fotos in den Firmengebäuden von Energiekonzernen gut als Wanddekoration und zur Demonstration der Leistungsstärke vorstellen. Der dokumentarische und indexikalische Charakter der Arbeit wird durch Aranberris Verschränkung mit einer fiktionalen Ebene gebrochen: Die Fotografien werden an die Wand gelehnt und gestapelt, als wären sie im Lager eines Energiekonzerns abgestellt.

 

Found Dead, eine skulpturale Installation, zeigt einen in seine Bestandteile zerlegten Obelisken, dessen einzelne Steinblöcke lose verstreut am Boden liegen, als „Ruinenfeld“. Die Vorstellung von Geschichte als Ruine und arkadische Landschaftsdarstellungen der Romantik drängen sich auf. Die Blöcke wurden nach einer Architekturskizze gearbeitet, die Anfang des 20. Jahrhunderts für den Prototyp eines Monuments angefertigt worden war. Indem Aranberri den Obelisken in der Ikonografie eines antiken Ruinenfeldes präsentiert, dekonstruiert er seine Funktion als Repräsentationsarchitektur und Symbol staatlicher Macht. Im Kontext von Finite Location hingegen geht es Aranberri darum, die Steine „ohne ihre ursprüngliche Resonanz und als reine materielle Formen aufgefasst in offener Beziehung zu den anderen Arbeiten in der Ausstellung einzuführen“.

 

Die dritte von Aranberri für die Ausstellung Finite Location ausgewählte Arbeit ist The Partial Use of Senses, die Gussform einer Statue. Diese Form aus metallverstärktem Fiberglas wurde erst kürzlich vom Künstler beauftragt und von der Skulptur eines Philosophen abgenommen. „Die Negativform ist das Resultat eines rein industriellen Prozesses“, sie hat aber, und das ist der für Aranberri zentrale Punkt, die „Absenz der eigenartigen Figur wirksam internalisiert.“ Bereits in der früheren Installation Perpetual Continent, die für Garden of Learning 2012 Busan entstanden ist, hat sich Aranberri mit dem Negativraum von Gussformen als Abstraktion von Abstraktionen auseinandergesetzt. Das eigentliche Objekt fehlt, und was die Gussform letztendlich zeigt, sind Relikte eines Prozesses und die Absenz eines Subjekts. Dennoch verweist dieser negative Raum auf die radikale Geste der Auslöschung in der Moderne, die im Bruch mit der Tradition und dem Postulat eines Neuanfangs auch die utopische Vision einer besseren Welt verkündete.

 

Mit der Konzeption der Ausstellung schafft Ibon Aranberri eine ästhetische Situation, in der die ursprünglichen Bedeutungen und Intentionen der einzelnen Werke aufgehoben werden, um neuen Lesarten und ästhetischen Erfahrungen Platz zu geben. Er stellt damit auch die Frage nach dem Wesen der Kunst, indem er mit einer bewusst gesetzten Geste seine Arbeiten aus ihrem ursprünglichen Kontext löst und auf ihre Essenz hin untersucht. Was bleibt, wenn ein Werk nicht mehr „gelesen“ werden kann? Normalerweise bewirkt die zeitliche Distanz zu einem Ereignis oder zur Entstehung eines Kunstwerks, dass spezifische im Werk festgehaltene Codes oder Schlüssel nicht mehr allgemein verständlich sind. Aranberri versucht in Finite Location, diesen Zustand künstlich herbeizuführen und anstelle der Interpretation des Inhalts der Werke den Fokus auf das formale und ästhetische Beziehungsgeflecht zu lenken und die BetrachterInnen einzuladen, Verbindungen zwischen den Werken herzustellen.




Künstler*innen
Ibon Aranberri

geboren in Itziar-Deba in der baskischen Provinz Gipuzkoa, lebt und arbeitet in Bilbao.

Programmiert vom Vorstand der Secession

Kuratiert von
Bettina Spörr

Vereinigung bildender Künstler*innen Wiener Secession
Friedrichstraße 12
1010 Wien
Tel. +43-1-587 53 07