Haris Epaminonda
VOL. XXIII
9.2. – 1.4.2018
In Haris Epaminondas Ausstellungen treten Stücke aus der Welt der Natur in Dialog mit Fragmenten historischer Materialien. Gefundene und angefertigte Elemente wie architektonische Schnitzarbeiten und Versatzstücke, Unterbauten wie Sockel und Podeste, Draperien, Gefäße und Statuetten sowie Seiten aus alten Büchern stellen das visuelle Vokabular dar, aus dem Epaminonda immer neue Narrative knüpft. Die einzelnen im Raum arrangierten Bestandteile stehen spürbar in Verbindung zueinander, der spezielle Charakter ihrer Beziehung bleibt aber rätselhaft. In ihnen treffen Epaminondas bildliche Erzählkunst und die Geschichte des jeweiligen Ausstellungsortes aufeinander.
Den Titeln nach sind ihre Ausstellungen fortlaufend nummerierte „Bände“, was eher auf ein abstraktes Ordnungsprinzip als auf konkrete Inhalte verweist, und bleiben so in der Interpretation und Lesart offen. Die dominanten geraden Linien und geometrischen Formen und die reduzierte Farbgebung sorgen für Struktur und Gliederung und fungieren wie ein Koordinatensystem. Epaminondas Umgang mit Materialien ist sorgsam und präzise, die ausgewählten Objekte sind durch Form und Materialität Träger von Bedeutung und verdienen daher, genau betrachtet zu werden. Der Oberfläche, gewissermaßen der „Haut“ der Skulpturen schenkt die Künstlerin besondere Beachtung. Häufig setzt sie traditionelle oder historische Techniken aus dem Kunst- oder Bauhandwerk ein wie Lackmalerei oder Stucco Veneziano, einen in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Venedig entwickelten Kalkputz, der in seiner Flexibilität den Anforderungen der Lagunenstadt entgegenkam und Bewegungen des Untergrundes auszugleichen in der Lage war. Epaminonda verwendet diese Technik für eine Reihe von Skulpturen und Wandarbeiten. So fließen fast unmerklich über Material und Bearbeitung geografische, kulturelle und nicht zuletzt symbolische Referenzen ein.
Epaminondas subtil arrangierte Assemblagen sind gewissermaßen eine Weiterentwicklung und eine räumliche Ausdehnung ihrer früheren, auf Collagetechniken beruhenden Arbeiten mit vorgefundenem Film- und Videomaterial und mit Bildern aus Büchern und Zeitschriften. Das Editieren von Videos und das Zusammensetzen von Collagen sind für die Künstlerin insofern eng verwandt, als es immer darum geht, endgültige Schnitte zu setzen.
In VOL. XXIII in der Secession verwandelt Epaminonda die Galerie in einen weiß getünchten Raum, in dem Spiegel und Reflexionen ins Auge fallen, ein Umfeld, das an Szenen in Stanley Kubricks Science-Fiction-Film 2001: A Space Odyssey (1968) oder die Kulissen in den frühen metaphysischen Bildern Giorgio de Chiricos erinnert. Hier geht ein Mond über dem Meer auf, während dort ein schwerer blauer Samtvorhang von der Decke herabhängt. Der Anblick einer Reihe von Bögen, die sich im Wasser in einem Becken spiegeln, ist ein Anklang an eine Gasse im nächtlichen Rom. Die Schlange ist nicht mehr zu sehen. Eine Apollo-Büste harrt einer Neueinschreibung.
geboren 1980 in Nikosia (Zypern), lebt und arbeitet in Berlin.