Hannes Böck
Fünf Skulpturen aus den ägyptischen Heiligtümern im Museo del Sannio, Benevento: n. 252 Hockender Pavian, Diorit; n. 253 Falke, Amphibolit; n. 255 Falke, Gabbro; n. 256 Hockender Pavian, Diorit; n. 280 Apis-Stier, Diorit
19.9. – 10.11.2013
Filmästhetische, bildwissenschaftliche und geschichtskritische Diskurse stellen zentrale Referenzpunkte für die Filme und Fotoserien des in Wien lebenden Künstlers Hannes Böck dar. Für seine Einzelausstellung im Grafischen Kabinett hat er einen neuen 16-mm-Film produziert, der sich mit dem komplexen Verhältnis von Archäologie, Kunstgeschichte, Fotografie und den dazugehörigen Bildsprachen auseinandersetzt. Die in kulturwissenschaftlichen und postkolonialen Debatten problematisierten Ein- und Ausschlussmechanismen absoluter Geschichtsschreibung fließen dabei ebenso in seine Arbeit ein wie medienreflexive Betrachtungen zu Film, Fotografie und Bildproduktion.
Die neue, eigens für die Secession produzierte Arbeit Fünf Skulpturen aus den ägyptischen Heiligtümern im Museo del Sannio, Benevento: n. 252 Hockender Pavian, Diorit; n. 253 Falke, Amphibolit; n. 255 Falke, Gabbro; n. 256 Hockender Pavian, Diorit; n. 280 Apis-Stier, Diorit zeigt Skulpturen aus dunklem Stein, Darstellungen ägyptischer Tiergottheiten, die in einem antiken römischen Isis-Tempel kultische Zwecke erfüllt haben. Der Titel der Arbeit entspricht den Informationen im Kontext musealer Ordnungssysteme, wie sie etwa ein Besucher auf Schildern im Museum vorfindet. Hannes Böck hebt die fünf Skulpturen, die permanent im Museo del Sannio in Benevento ausgestellt sind, aus ihrem klassischen musealen Präsentationszusammenhang, indem er sie vor einem schwarzen Hintergrund vereinzelt. Die von einer starken Lichtquelle kontrastreich beleuchteten Figuren werden aus fünf unterschiedlichen Kameraperspektiven gezeigt: Totale, Halbtotale, Profil, seitlich von hinten und in einer Detailansicht.
Böcks thematischer Ausgangspunkt ist die seit der Aufklärung bewusst vernachlässigte Bedeutung der ägyptischen Kultur für die Entwicklung des Abendlands zugunsten eines Ursprungsmythos, der die Geburt des Abendlands rein in der griechisch-römischen Tradition verankert. Böck verweist mit seinem Film auf die ambivalente Rolle der Fotografie im Hinblick auf die Verbreitung archäologischer und kunsthistorischer Erkenntnisse und auf die damit in Zusammenhang stehenden komplexen Einund Ausschlussmechanismen zugunsten der Konstruktion eines homogenen und linearen Geschichtsverlaufs.
Auf ästhetischer Ebene spielt Böck in Fünf Skulpturen… mit den Wechselbeziehungen zwischen Fotografie und Film sowie den Grundbedingungen des künstlerischen Films im Kontext der bildenden Kunst. Am zunächst auffälligsten sind das Fehlen von Ton, die statischen Einstellungen und die extreme Langsamkeit der Schnittfolge, mit denen Böck bewusst den Bezug zur Fotografie herstellt. Die konzeptuell nach einem strengen Raster festgelegte Schnittfolge zieht Anleihen beim strukturellen Film und das Fehlen von Ton lenkt die Aufmerksamkeit ganz auf die Bildebene. Die Entscheidung den Film, der auf den ersten Blick Schwarz-Weiß erscheint, in Farbe zu drehen, ist Teil der medienspezifischen Reflexionen auf die visuellen Eigenschaften und historischen Anwendungsgebiete von analogen Film- und Fototechnologien im Zeitalter der digitalen Kinematographie.
Zu den inhaltlichen und formal-ästhetischen Verschränkungen kommt als dritte Ebene die Form der Präsentation als Loop in einer Black Box. Die Inszenierung der Vorführung ist wesentlicher Bestandteil der Filmkunst im Ausstellungsraum und insofern bedeutungsvoll. Eine schwarze Box, deren Materialität aus durchlässigen stoffbespannten Rahmen einerseits architektonisch ambivalent bleibt und andererseits sowohl den Raum dahinter zum Verschwinden bringt als auch den kinematografischen Apparat verbirgt, zielt auf die Erzeugung eines illusionistisch-hypnotischen Erfahrungsraumes ab. Wenngleich Böck einen Illusionsraum für Fünf Skulpturen… schafft, so fordert sein Film dennoch die aktive Teilhabe der BetrachterInnen, die auch selbst entscheiden, wie weit sie sich in das Kunstwerk hineinbegeben und den Versuch seiner Entschlüsselung vornehmen möchten.
Bereits in früheren Arbeiten wie Las Encantadas (2012), Niches Cut into Bedrock at Sacsayhuamán, Cusco and Inca Stone Quarry at Cachicata, Ollantaytambo(2011) und New Hefei (2007/2008), die auf den Galapagosinseln, in Peru und China gedreht wurden, galt Böcks Interesse den wechselseitigen und vielgestaltigen Effekten der wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Verbindungen zwischen Europa und außereuropäischen Kulturen und wie diese sich in Bilder übersetzen lassen.
Der Film Las Encantadas (2012) nimmt ein Romanfragment von Herman Melville als Ausgangspunkt, in dem dieser sowohl die spanische Kolonialpolitik als auch absolute Wahrheitsansprüche seitens der Naturwissenschaften in Frage stellt. Das handelnde Subjekt einer Episode dieses Buches, eine indigene weibliche Robinson Crusoe-Figur, wird von Böck im Drehbuch durch eine mexikanische Schauspielerin ersetzt, die im Film abwesend bleibt, aber in der zum Film gehörenden Fotoserie eines Telenovela-Filmsets auftaucht. Der Film, der in zwölf Einstellungen Landschaftsausschnitte bei statischer Kameraposition zeigt, könnte ebenso aus der Vorbereitungsphase für einen Filmdreh stammen wie auch als topographische Studie bzw. als kritische Untersuchung zur Visualität kolonialer Landnahme gelesen werden.
Niches Cut into Bedrock at Sacsayhuamán, Cusco and Inca Stone Quarry at Cachicata, Ollantaytambo (2011) sieht auf den ersten Blick wie eine strukturalistische Studie über abstrakte Formen und Schnittfolgen aus, wenn nicht die Ortsangaben im Titel auf die Inka-Kultur verweisen und somit einen referenziellen Bezugsrahmen zu Themen wie kultureller Identität, Emanzipation und Archäologie im postkolonialen Zusammenhang herstellten.
Wie sehr medial vermittelte Bilder das kollektive Bildgedächtnis prägen und mitunter zum Maßstab von Wirklichkeitsrezeption werden, zeigt New Hefei (2007/2008). Dieser Film fokussiert den Bauboom in der prosperierenden chinesischen Provinzhauptstadt Hefei infolge des chinesischen Wirtschaftswunders. Indem Böck die Bildsprache des italienischen (Post-)Neorealismus, konkret von Antonionis La Notte übernimmt, zieht er ganz bewusst eine Parallele zum italienischen Wirtschaftswunder nach dem Zweiten Weltkrieg. Auf filmtechnischer Ebene kommt es zu einer Funktionsumkehr von Darsteller und Ort: Erst am Ende des Films wird klar, dass der scheinbare Protagonist zu den Filmorten geführt hat und diese nicht wie sonst als Hintergrund der Handlung fungieren.
geboren 1974 in Wien, lebt und arbeitet in Wien.