Gabriel Sierra
The First Impressions of the Year 2018 (During the early days of the year 2017)
2.2. – 26.3.2017
Das Projekt fungiert als Szenerie, als abstrakte Situation, in der es um die Wahrnehmung der Zukunft in der Gegenwart geht, wobei die Ausstellungsräume und ihre Begrenzungen als Behältnis dienen, das der Zukunft für die Dauer der Ausstellung metaphorischen Raum gibt. Die Ausstellung ist ein fiktives Ereignis, das mittels der Einfügung ortsspezifischer Werke verfährt, in deren kastenähnlicher Gestalt die physischen Eigenschaften des Raums und das von außen eindringende Licht Widerhall finden, um eine bestimmte Atmosphäre entstehen zu lassen. Raum und Zeit prallen während der Öffnungszeiten in einer phänomenologischen Erfahrung aufeinander, während jenseits der Wände, in den benachbarten Räumen und außerhalb des Secessionsgebäudes, die Gegenwart des Jahres 2017 wartet
"Gabriel Sierras eigens für die Secession konzipierte Installation entspringt seinen philosophischen Reflexionen über Raum und Zeit. Im Mittelpunkt seiner Überlegungen stehen die Gegenwart und der Augenblick, in dem die Besucher die Galerieräume betreten, um die Vorstellung zu sehen. Darüber hinaus bezieht Sierra den konkreten Ort, die Ausstellungsräume im Untergeschoss des Hauses, gezielt in den Entwicklungsprozess seiner jüngsten Installation mit ein.
Mit dem Ausstellungstitel The first impressions of the year 2018 (During the early days of the year 2017) gibt Sierra den Rahmen der Ausstellung als „abstrakte Situation“ und Ort der Imagination vor. Die BesucherInnen sind aufgefordert, sich innerhalb der Ausstellung in die Zukunft zu versetzen, die von der Gegenwart, also dem Jahr 2017, eingebettet bleibt. Visuell wird diese Konstruktion durch die spezielle Lichtführung unterstützt. Während die Gegenwart hell erleuchtet und deutlich sichtbar bleibt, herrscht in der Ausstellung relative Dunkelheit: Nur das von außen eindringende Licht lässt die Konturen des Raumes und seine mysteriösen Einbauten erkennen. Je länger man in den Räumen verweilt und sich das Auge an das Dämmerlicht gewöhnt, desto deutlicher treten die Elemente der Ausstellung hervor.
Als „Dioramen der Zukunft“ lassen sich die riesigen Einbauten lesen, die in ihrer eigenwilligen Funktionslosigkeit zunächst Rätsel aufgeben. Für den Künstler sind sie abstrakte Elemente einer zukünftigen Ausstellung, die ihrer eigentlichen Funktion als Display noch harren. Sie erstrecken sich über den gesamten Wandverlauf wie überdimensionierte Kästen, deren Größe und Höhe zur Architektur des Raumes in Beziehung stehen. Diese Architektur scheinen sie zunächst zu verdecken, aber bei längerer Betrachtung wird deutlich, dass die 15 cm über dem Boden schwebenden Elemente sie und ihre Besonderheiten – insbesondere das charakteristische Rippengewölbe und große Wandnischen – herausstreichen. Den Raum zu zeigen, wie er ist, war eine der Bestrebungen des Künstlers: Konsequenterweise wurden zuerst alle nachträglich im Raum eingebauten Wände abgerissen und das „Skelett“ des Ausstellungsraumes freigelegt. Dazu gehört auch, dass die ansonsten verbauten Fenster der im Souterrain gelegenen Räume freigelegt wurden. Zusammen mit einer Glastür bilden sie die einzige Lichtquelle in der Ausstellung, die sich je nach Intensität des einfallenden Tageslichts atmosphärisch stark verändert und unterschiedliche Stimmungen hervorruft.
Die Subjektivität von Wahrnehmung und Erinnerung, das Spiel mit Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit, die Einbeziehung aller Sinne, aber auch die kritische Auseinandersetzung mit Regeln und Konventionen des Kunstbetriebs sind konstituierende Elemente von Sierras Praxis, welche in der Ausstellung in Form von teils sehr subtilen Interventionen Gestalt annehmen und von vielen vielleicht nur unter Zuhilfenahme der Werkliste in der aufliegenden Besucherbroschüre entdeckt werden. Manches wird nur von denen erlebt werden können, die zu bestimmten Zeiten das Haus besuchen. So wird eine Duftkerze der Marke Open Window nur für jeweils kurze Zeit angezündet und ihren Duft verströmen (Untitled [Open Window], 2014–2017) – als Kommentar auf die Sichtbarmachung der sonst verbauten Fenster im Ausstellungsraum.
geboren 1975 in San Juan Nepomuceno, Bolívar (Kolumbien), lebt und arbeitet in Bogotá.