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Fiona Rukschcio
retaped Rape
7.12.2012 – 10.2.2013

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Fiona Rukschcio, retaped Rape, 2012
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retaped Rape ist gleichermaßen Hommage wie auch eine Analyse und Weiterführung des Originals.

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Fiona Rukschcio

Fiona Rukschcio thematisiert in ihren Filmen, Collagen und Projekten weibliche Rollenzuweisungen, Identitätsentwürfe und emotionale Grenzerfahrungen. In der Secession zeigt sie ihren 2012 produzierten Film retaped Rape sowie eine Reihe von Fotografien, die den Entstehungsprozess der Filmarbeit dokumentieren, Fotocollagen und Sitzmöbel. Ausgangspunkt und strukturelle Vorgabe dieser neuen Arbeiten ist der Film Rape von Yoko Ono und John Lennon aus dem Jahr 1969. Rukschcio hat das Werk, in dem eine junge Frau vom Kameramann durch London bis in ihre Wohnung verfolgt wird, mit den gleichen Kameraeinstellungen an den Originalschauplätzen nachgedreht, jedoch ohne Protagonistin.

 

Rape (1969, 75 Min) ist ein konzeptueller Film, der auf einem 1968 veröffentlichten Skript Yoko Onos basiert: „Der Kameramann verfolgt mit seiner Kamera beharrlich ein Mädchen auf einer Straße, bis er sie in einer Gasse in die Enge treibt und, falls möglich, bis sie in einer fallenden Position ist.“ Ende November 1968 von Nic Knowland gedreht, hatte Rape am 31. März 1969 im ORF, der das Filmprojekt mitfinanzierte, Premiere. Den Film kennzeichnet eine gewalttätige und sexuell aufgeladene Atmosphäre. Die von der Kamera verfolgte Frau zeigt sich anfangs zwar geschmeichelt, wirkt jedoch zunehmend ängstlich und zutiefst verstört.

 

Rape gilt als eines der Werke, die brutal offenlegen, wie die Kamera ihr eigenes Regime etabliert und der/dem Gefilmten seine Herrschaft aufzwingt. Die strukturell voyeuristische und ausbeutende Natur des (männlichen) Blicks, wie er von Laura Mulvey in ihrem Essay „Visual Pleasure and Narrative Cinema“ (1973) beschrieben wurde, wird durch diese mediale Versuchsanordnung beispielhaft in Szene gesetzt. Die Kamera fokussiert, verfolgt und umkreist die Frau, kommuniziert also auf verschiedene Weise mit ihr als ihrem Gegenüber.

 

Indem Fiona Rukschcio die filmische Vorlage Sequenz um Sequenz nachdreht, dabei aber das ursprüngliche Objekt der apparativen Beobachtung ausschneidet, lenkt sie die Aufmerksamkeit unmittelbar auf die Darstellungsmittel und Funktionsweise der Kamera, insbesondere auf deren (damals noch dominierende) Autoritätsposition. In retaped Rape ist die Kamera auf sich selbst zurückgeworfen und folgt einer unsichtbaren Spur. Damit befreit sie die Zusehenden aus der ursprünglichen Täterperspektive und macht mit diesem Kunstgriff sowohl die Perspektive des Opfers als auch das zeitliche Ausmaß der Gewalteinwirkung evident.

 

Elisabeth Büttner beschreibt diesen Zusammenhang in ihrem Katalogessay: „Das Ereignis hat sich verlagert, es ist nicht sichtbar, es muss hergestellt werden. […] Die Ideologie von 1969 wird dekomponiert. Es braucht kein sichtbares Objekt, keinen greifbaren Anlass, um das Werken der Kamera als mächtig, eingreifend, unablässig Wirklichkeit bildend und transformierend auszuweisen […]. Das primäre Tauschverhältnis besteht nicht mehr zwischen einem begehrten und verfolgten Objekt und der Kamera, sondern zwischen Kamera und Kamerafrau sowie Kamera und ZuschauerInnen.

 

Unerbittlich geht Fiona Rukschcios Kamera ihren Weg. Vieles bleibt in ihrem Film retaped Rape ähnlich den Vor-Bildern von Yoko Ono und John Lennon, ist alles andere als eine Raub-Kopie, offenbart aber die weitaus hintergründigere Fratze als 1969. Vieles ist heute ganz normal geworden, vieles verstört wie damals. Der Umgang damit ist aber definitiv ein anderer, zeigt retaped Rape.“, schreibt Doris Krumpl in ihrem Katalogtext. Durch diese Verschiebung eröffnet Fiona Rukschcio eine Reihe von Fragen nach dem Zusammenhang von Kamerasprache, Blickregime und nicht zuletzt von Gewalt. Was verändert sich etwa, wenn hinter der Kamera nun eine Frau ist, während die Frau vor der Kamera fehlt? 

 

Die Künstlerin setzte sich in ihren Arbeiten wiederholt mit Gewalt gegen Frauen auseinander und beschäftigte sich damit, Strategien von Empowerment zu entwickeln, die unter anderem alternative Bilder jenseits einer Opferrhetorik zeigen. Ihr Film common.places (1999) beispielsweise, der 2000 auf der Diagonale mit dem Preis für „Innovatives Kino 2000“ ausgezeichnet wurde, verknüpft 27 Erzählungen von Frauen über den ganz „normalen“ Belästigungsalltag, dem jede Frau in jeder Situation ausgesetzt sein kann. Der ebenfalls in London gedrehte utopische Film Bill Posters will be prosecuted handelt von einer anonymen Frauengruppe (The Group), die den Auftrag erhält, einen vom Gericht freigesprochenen Vergewaltiger (Bill Posters) zu beobachten und nötigenfalls zu rächen. Ebenfalls um Orte und wie mit Erinnerung von marginalisierter Geschichte umgegangen werden kann, geht es in ihrem Video I would be delighted to talk Suffrage (GB 2005/03): Der Videofilm fungiert als Stadtführung, Oral History-Dokument und collagierter Kostümfilm zugleich.

 

Auch in retaped Rape setzt sich die Künstlerin intensiv mit dem Ort des Geschehens auseinander. Sorgfältig hat Fiona Rukschcio die Schauplätze der Vorlage recherchiert, um filmend den Weg der damals drei Tage dauernden Verfolgung abzugehen: vom Highgate Cementary über verschiedene Orte in Chelsea und dort auch in die inzwischen umgebaute Wohnung der Protagonistin. Zu ihren Dreharbeiten in London meint die Künstlerin: „Mittlerweile sind die Straßen belebter als damals. Eine Kamera wird hingegen nicht mehr als Autorität gesehen, die es zu akzeptieren gilt. Leute versuchten, Kontakt mit mir bzw. der Kamera aufzunehmen.

 

Durch die sich durchziehende Differenz zwischen damals und heute stellt retaped Rape zudem das Speichern von Erinnerung von zeitgenössischer Geschichte zur Diskussion. Fiona Rukschcio: „Ich frage mich immer wieder, inwiefern Geschichte Orten eingeschrieben ist? Zunächst einmal, welche Ereignisse und wessen Geschichte? Dann aber auch, wie in der Folge eine adäquate, andere nämlich alternative Art von Erinnerungskultur aussehen kann.




Künstler*innen
Fiona Rukschcio

lebt in Wien, auch dort geboren. Arbeitet an der Schnittstelle von bildender Kunst und Film. Projekte und Filme wurden unter anderem in der Secession Wien, Galerie im Taxispalais Innsbruck, Museum der Moderne Salzburg, Historisches Museum Berlin, ZKM Karlsruhe und Generali Foundation Wien gezeigt.

Programmiert vom Vorstand der Secession


Vereinigung bildender Künstler*innen Wiener Secession
Friedrichstraße 12
1010 Wien
Tel. +43-1-587 53 07