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Emily Roysdon
Comedy of Margin Theatre
11.9. – 1.11.2015

https://secession.at/items/uploads/images/1661849654_ogRraJ70yH.jpg
Emily Roysdon, Comedy of Margin Theatre, Ausstellungsansicht, Secession 2015, Foto: Iris Ranzinger
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17. How can we build a structure to be alive inside? To to to-wards a building of space and commons that privileges movement and margins.

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Emily Roysdon, aus Uncounted

Für ihre erste Einzelausstellung in Österreich entwickelte Emily Roysdon eine räumliche Inszenierung, deren Charakter zwischen Installation und Bühne oder Performanceraum bewusst offen bleibt. Konzeptueller Ausgangspunkt der Ausstellung ist Roysdons Text Uncounted, in dem sie ein Vokabular ihrer Vorstellungen von Performance und Zeit entwickelte. In 23 kurze Kapitel unterteilt, umschreibt er in offener Form anhand von Zitaten, poetischen Gedanken und philosophischen Betrachtungen ihre Reflexionen zu Zeit, Theater, Performance, Hierarchien, Widerstand und emanzipatorischen Praktiken. Mit der Zeit wurde der Text für die Künstlerin zu einer Art Drehbuch. Für die Ausstellung in der Secession hat sie sich speziell auf drei Punkte des Textes konzentriert: „Lebendigkeit überschreitet Grenzen, ist sich ihrer Randständigkeit nicht bewusst“, „als ungelöstes Problem performen“ und „eine Struktur, in der Leben möglich ist“.

 

Die intensive Auseinandersetzung mit der dritten These bewog Roysdon dazu, sich Praktiken des experimentellen Theaters und Theorien der Improvisation zuzuwenden. Es ist das erste Mal, dass sie in einer Ausstellung die in ihrer Arbeit immer mitgedachte, aber im Hintergrund gehaltene Reflexion über Theater in den Vordergrund rückt. Gleichzeitig wirft die Verbindung von Theater und Ausstellung neue Probleme auf, da beide Formen grundsätzlich andere Rahmenbedingungen im Hinblick auf Zeit, Abläufe und Subjekte haben. So zeichnet sich das Setting von Roysdon auch durch die Abwesenheit handelnder Personen aus. Für die Künstlerin geht es dabei um prinzipielle Fragen zu Bewegung und Lebendigkeit – im Fall ihrer Installation für die Secession stellt sie die Frage: Wo ist der Ort der Bewegung, wenn der Körper abwesend ist?

 

Farbige Wände, eine Installation aus handgefertigten Uhren, im Raum positionierte Kostüme sowie ein begehbarer, grafisch gestalteter Vinylboden sind die wesentlichen Elemente der Ausstellung. Die Keramikuhren, die teils an der Wand hängen und teils im Raum stehen, greifen ein von Roysdon entworfenes Symbol für „andere Arten von Zeit“ auf: ein mit der Spitze nach unten gerichtetes Dreieck mit einer Wellenlinie als Oberkante. Dicht an dicht in einer Linie gehängt, bildet der Wellenkamm der insgesamt 20 Uhren einen neuen Horizont.

 

Der für die Ausstellung produzierte Bildteppich ist mit 83 m² das größte Element in der Ausstellung und setzt sich aus zwei unterschiedlichen Teilen zusammen: Der erste zeigt in starker Vergrößerung ein Foto von zwei Beinen sowie Texte und handgeschriebene Notizen, die sich auf Schriften von Virginia Woolf, Charlie Parker, Richard Foreman und Jack Smith beziehen. Der zweite beinhaltet einen Text, der in beiden Richtungen gelesen werden kann und repetitiv Schlüsselbegriffe für einen Diskurs über Theater, Marginalität und Improvisation einführt. Auf beiden Teppichen findet sich ein Zeichen, das einem choreografischen Notationssystem entstammen könnte. Dieses Symbol O—O („Kreis Linie Kreis“) steht für Roysdons Begriff davon, „nicht die Sache selbst zu sein“, ein Gedanke, den sie in Uncounted erläutert und der für sie eine Ethik der Zusammenarbeit und Improvisation bezeichnet. Die Bodengestaltung dient im wörtlichen Sinn als dramaturgischer Hintergrund und unmittelbarer Kontext für Live-Handlungen.

 

Die Kostüme wiederum greifen legendäre Kostümentwürfe des italienischen Künstlers Giorgio de Chirico auf, die er 1929 für die Ballets Russes gestaltet hat und die architektonische Elemente wie Ziegelmauern und Säulen zeigen. Roysdons Kostüme sind wie Fassaden, die vor den Körper gehängt werden. Trotz ihrer architektonischen Formen bringen sie Fragilität und Verletzlichkeit zum Ausdruck – ebenso wie den Widerspruch von der Mobilität des Körpers und der Immobilität der Architektur, von Subjekt und Objekt. Auf beweglichen Metallständern im Raum verteilt sind die Kostüme Übergangsgestalten, die die Dramaturgie der Galerie und/oder des Theaters dekomponieren. Die Wellen der Uhren treffen auf die Ziegelwände der Arme und Beine: Bewegung trifft auf Starrheit.

 

Roysdons methodologisch und materiell mehrschichtige Installation untersucht Strukturen der Performance und lädt die BesucherInnen in einen „Raum des Übergangs“ ein. Handelt es sich um eine „Komödie des marginalen Theaters“, ein „Theater der Grenzen“, ein „Theater der ungelösten Probleme“ oder einfach ein „fragwürdiges Theater“?

 

Roysdons Text Uncounted bildet auch den konzeptuellen Rahmen für das parallel zur Ausstellung erscheinende Künstlerbuch Uncounted: Call & Response, für das sie 23 andere KünstlerInnen und AutorInnen aus unterschiedlichen Bereichen eingeladen hat, auf jeweils ein Kapitel mit einem eigenen Beitrag zu reagieren.




Künstler*innen
Emily Roysdon

geboren 1977 in Maryland (USA), ist Künstlerin und Autorin und lebt und arbeitet in New York und Stockholm. Ihre Herangehensweise ist interdisziplinär und in den letzten Jahren entstanden Projekte in Form von Performances, Fotoinstallationen, Drucken, Texten und Videos; außerdem kuratiert sie und arbeitet mit anderen KünstlerInnen zusammen. Sie ist Mitgründerin des queer-feministischen Kunstkollektivs LTTR und Mitherausgeberin der gleichnamigen Zeitschrift.

Programmiert vom Vorstand der Secession

Kuratiert von
Bettina Spörr (Secession)

Vereinigung bildender Künstler*innen Wiener Secession
Friedrichstraße 12
1010 Wien
Tel. +43-1-587 53 07