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Gruppenausstellung
Die Regierung. Paradiesische Handlungsräume
24.2. – 24.4.2005

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Die Regierung. Paradiesische Handlungsräume, Ausstellungsansicht, Secession 2005, Foto: Matthias Herrmann

Hat es Sinn, die Regierung nicht im Sinne von HandlungsträgerInnen zu denken, sondern im Sinne von Handlungen? – Hat es Sinn, auf die Milosevics, Berlusconis, Putins, Bushs und Schüssels dieser Welt zu verzichten und sich für eine Weile in der Schönheit der politischen Abstraktion zu ergehen? Für eine Weile, die ungefähr so lange währt wie ein Ausstellungsbesuch?

 

Das Thema dieser Ausstellung ist nicht sonderlich originell. Bereits Mitte des 14. Jahrhunderts interessierte sich die Kunst für eine Darstellung der Wirkung von Regierung – auf Menschen, Tiere, Landschaften und Ökonomien (Ambrogio Lorenzetti, Allegorie der guten und der schlechten Regierung, Rathaus Siena). In ähnlichem Sinne, obgleich ein paar Jahrhunderte später, machte der französische Philosoph Michel Foucault den Vorschlag, Regierung im Sinne von Handlungen zu verstehen, die auf andere Handlungen (die Handlungen anderer) einwirken.

 

Eine solche Konzentration auf Handlungsräume hat Vorteile, jedenfalls wenn es mit ihrer Hilfe gelingt, den bekannten Freund-Feind-Schemata sowie den schalen Gegensätzen von Individuum und Staatsmacht, von lokalen und globalen Verhältnissen auszuweichen, und die Dinge neu und anders zu sehen. (Dennoch bleibt es wichtig, gewisse Dinge, Folter zum Beispiel oder Abschiebung, nicht neu und anders zu sehen, sondern immer wieder als das zu benennen, was sie sind).

 

“Handlungen, die auf andere Handlungen (die Handlungen anderer) einwirken” – was hat das mit Kunst zu tun? – Unmittelbar nichts, mittelbar dafür umso mehr, da die Kunst im Medium der Ausstellung sichtbar wird. Der Raum der Ausstellung ist selbst ein Handlungsraum, der durch Eingriffe reguliert wird. Die Ausstellungsreihe Die Regierung hat an ihren bisherigen Orten (Lüneburg, Barcelona, Miami) verschiedene Eingriffe durchgespielt, die von den dramatischen Veränderungen im Bildungssystem bis zur Auslöschung von kollektivem Gedächtnis reichen. In der Secession wird nun ein Aspekt entfaltet, der der Kunst innewohnt: die künstlerischen Arbeiten sind selbst verdichtete Handlungen.

 

Dabei handeln sie weniger als konkrete Interventionen in der Lebenswelt; vielmehr löst sich ihr Handlungscharakter im Prozess der Kunsterfahrung ein. Und damit ist auch klar, dass nicht allein die Werke handeln. Es geht um die Interaktion zwischen Werken und Publikum, welches sich ebenfalls erst im Akt der Rezeption als solches verstehen kann.

 

Paradiesische Handlungsräume ist also ein Versuch, die verdichteten Handlungen der Kunstwerke in der Form der Ausstellung weiter zu tragen, wenn nicht gar zu verschmelzen. Es entsteht eine Art dreidimensionaler Film, der die BetrachterInnen in sein kompositorisches Tun zu involvieren sucht: jeden Dienstag verändert die Ausstellung ihre Erscheinung, es wechselt die Mis-en-scène, wobei die einzelnen Einstellungen einander kommentieren, revidieren und überlagern, Werke verschieden kontextualisieren oder in die Beziehungslosigkeit entlassen. Vielleicht, so die Hoffnung, gelangen wir auf diese Weise zu einem dynamischen Bild unserer Welt, einem Bild, in dem wir darüber hinaus selbst mitspielen.

Da wir es ernst meinen mit der Behauptung, dass das Publikum erst in der Kunstwahrnehmung entsteht, interessieren uns die Effekte unseres experimentellen Handlungsraumes auf die AusstellungsbesucherInnen. Um diese Effekte wiederum im Verlauf der Ausstellung wahrnehmen zu können, haben wir einen Teil der Ausstellung vorgelagert, in die Ausbildung von SchülerInnen, die im Rahmen der Ausstellung Verantwortung für die Vermittlung derselben übernehmen werden. Wer will, kann sich also wöchentlich bei den Dialogführungen von SchülerInnen in die Geheimnisse der einzelnen Arbeiten und ihrer Zusammenhänge einweihen lassen.

 

Die Stationen der Ausstellungsreihe Die Regierung:
Kunstraum der Universität Lüneburg, Museu d’Art Contemporani de Barcelona, Miami Art Central, Secession, Witte de With Center for Contemporary Art Rotterdam




Künstler*innen
Sonia Abián / Carlos Piegari
Ibon Aranberri

geboren in Itziar-Deba in der baskischen Provinz Gipuzkoa, lebt und arbeitet in Bilbao.

Archivo Tucumán Arde (Graciela Carnevale)
Maja Bajević
James Coleman
Alice Creischer

geboren 1960, lebt und arbeitet in Berlin.

Danica Dakić
Ines Doujak

geboren 1959, lebt und arbeitet in Wien.

Peter Friedl
Andrea Geyer

geboren 1971 in Freiburg, lebt und arbeitet in New York

Sanja Iveković
Ambrogio Lorenzetti
Rainer Oldendorf
Lisl Ponger

geboren 1947 in Nürnberg, lebt und arbeitet in Wien.

Alejandra Riera / Fulvia Carnevale
Dierk Schmidt
Allan Sekula
Andreas Siekmann
Hito Steyerl
Jürgen Stollhans
Francesca Woodman
Olivier Zabat
Programmiert vom Vorstand der Secession


Vereinigung bildender Künstler*innen Wiener Secession
Friedrichstraße 12
1010 Wien
Tel. +43-1-587 53 07