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Deimantas Narkevičius
Among the Things We Touched
28.4. – 24.6.2007

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Deimanatas Narkevičius, Once in the XX Century, 2004, Installationsansicht, Secession 2007, Foto: Pez Hejduk

In seinen Filmen befasst sich der litauische Künstlers Deimantas Narkevičius mit der Erfahrung von kollektiver, meist osteuropäischer, Geschichte. In der seit den neunziger Jahren politisch und kulturell dynamisierten Situation osteuropäischer Staaten sieht Narkevičius ein gegenwärtiges Vakuum, in dem sich die ideologische Wahrnehmung weder durch eine Reflektion der eigenen Historie, noch durch die Vorstellung einer zukünftigen Vision auszeichnet. Narkevičius konstruiert (vergangene und zukünftige) Geschichte aus der aktiven Relation mit individuellen Biografien. Die ProtagonistInnen seiner Filme rekonstruieren und verweben auf diese Weise ihre Erinnerungen mit einer allgemein anerkannten linearen Geschichtsauffassung. Narkevičius erforscht das Medium Film im dokumentarischen Stil, indem z.B. Interviews aus dem Off Fotografien oder Zeichnungen kommentieren oder durchaus disparate Filmtechniken und Erzählweisen simultan überlagert werden. In der Secession zeigt Deimantas Narkevičius vier seiner jüngsten Filme.

 

The Role of a Lifetime (2003) vereint drei unterschiedliche, aber miteinander verwobene Elemente: Ein Interview mit dem kontrovers besprochenen britischen Filmemacher Peter Watkins wurde in Litauen, dem für mehrere Jahre selbstgewählten Exil Watkins, aufgenommen. Des weiteren werden Landschaftszeichnungen des litauischen Gruto Parks, dem Aufbewahrungsort für diverse sozialistische Figuren der Nachkriegszeit, gezeigt. Beide Elemente verbindet Narkevicius mit Found Footage Material eines Amateurfilmers über das alltägliche Leben in Brighton. In The Role of a Lifetime wird Watkins Interview auf der Tonebene mit den Zeichnungen und dem Found Footage Material auf der Bildebene vereint und zueinander in Beziehung gesetzt. Spricht Watkins manifesthaft über das Verhältnis von Realität und Fiktion in seiner filmischen Arbeit, so unterstreicht Narkevičius den politischen Gehalt von dessen Rede, indem er zum einen die zerstörten Hinterlassenschaften und ihre verlorene, einstig repräsentative Funktion thematisiert, zum anderen durch die Verwendung von Found Footage Material den Repräsentationsgehalt des dokumentarischen Arbeitens per se hinterfragt.

 

Once in the XXth Century (2004) zeigt die Errichtung einer Lenin-Statue vor applaudierendem Publikum auf einem öffentlichen Platz in Vilnius. Deimantas Narkevičius verwendet hierfür Material eines litauischen Fernsehsenders, welches ursprünglich die Demontage des Lenin-Monuments in den 1990er Jahren dokumentierte. Durch filmische Schnitte inszenierte der Künstler daraus die Errichtung desselben. Nachdem ein Großteil der sozialistischen Denkmäler Ende des letzten Jahrhunderts spontan oder staatlich verordnet abgetragen wurden, zeugen diese als nur noch flüchtige und entmaterialisierte Spuren von einem kollektiven, aber unerfüllt gebliebenen Glauben an eine gesellschaftliche Alternative. Mit der „Umkehr der Bilder“ holt Deimantas Narkevičius in seinem Video den längst zu Geschichte gewordenen Personenkult und die öffentliche Installation ideologischer Symbole eines real existierenden Sozialismus in die heutige Zeit. Formal ist Once in the XXth Century ein ironischer Kommentar auf die sich wiederholenden Szenen ideologischer Manifestationen in den verschiedenen politischen Epochen und auf den daraus resultierenden Ikonoklasmus als radikale Maßnahme von Geschichtskorrektur.

 

In Revisiting Solaris (2007) erscheint der Hauptdarsteller Donatas Banionis aus Andrej Tarkovskij’s Film Solaris (1972) mehr als vierzig Jahre später wieder in der Rolle des Astronauten Chris Kelvin. Tarkovkij bezog sich auf den gleichnamigen, futuristischen Roman Stanislav Lems, wobei er das letzte Kapitel des Buches in seinem Film ausließ. Dieses Kapitel erzählt, wie der Astronaut die Oberfläche des Planeten Solaris betritt, kurz bevor er seine Weltraummission beendet. Narkevičius verschränkt die Erzählung des Astronauten mit einer Serie von Fotografien, die 1905 von Mykalojus Konstantinas Ciurlionis, einem litauischen symbolistischen Maler und Komponisten aufgenommen wurden.

 

Gegenüber dem futuristischen Konzept von Revisiting Solaris schildert Narkevičius in Disappearance of a Tribe 2005) die Lebensgeschichte seines verstorbenen Vaters, welche er aus privaten Fotografien filmisch montiert. Die Bilder zeugen von einem gemeinschaftlichen Leben und Erleben, wie es heute verloren gegangen scheint.

 




Künstler*innen
Deimantas Narkevičius

geboren 1964 in Utena (Litauen), lebt und arbeitet in Vilnius.

Programmiert vom Vorstand der Secession


Vereinigung bildender Künstler*innen Wiener Secession
Friedrichstraße 12
1010 Wien
Tel. +43-1-587 53 07