


Danh Vo
17.9. – 7.11.2021
Um die Gegenwart untersuchen zu können, muss man die Vergangenheit verstehen: jene Vergangenheit, die die eigene Gegenwart bestimmt. Ich glaube auch, dass man in die Zukunft schauen muss. Das ist zweifellos eine Lebensphilosophie, mit der ich lebe und die, wie ich hoffe, in meiner Arbeit zum Ausdruck kommt.
"In seinen konzeptuellen Arbeiten und Installationen greift Danh Vo häufig auf persönliche Lebenserfahrungen zurück, um umfassendere historische, soziale und politische Themen zu untersuchen. Den in Vietnam geborenen und in Dänemark aufgewachsenen Künstler fasziniert, wie Objekte und Geschichte(n) miteinander verflochten sind und als Projektionsflächen nationaler Ängste und persönlicher Identitäten dienen. Nicht nur die gewalttätigen sowie die erotischen Machtspiele des Kolonialismus sind ein wiederkehrendes Thema, sondern auch die Art und Weise, wie Verwaltungssysteme versuchen, persönliche Intimität und Ausdruck zu formen (sogar einzuschränken).
Vos Installationen bergen eine Fülle künstlerischer Elemente, darunter Fotografien, gefundene Gegenstände (mit historischer oder emotionaler Bedeutung), Dokumente, Textfragmente, die von seinem Vater in kunstvoller Kalligrafie ausgeführt werden und manchmal auch Werke anderer Künstler*innen. Das Wirken des Künstlers in verschiedenen Rollen – als Kurator, Sammler, Historiker und Auktionsscout – ermöglicht ihm ein gewandtes Spiel mit Objekten und Zusammenhängen. In der Auseinandersetzung mit symbolisch oder emotional aufgeladenen Artefakten aktiviert er deren Bedeutung von Projekt zu Projekt immer wieder neu.
Häufig präsentiert Vo Objekte aus dem Nachlass bedeutender Persönlichkeiten (oder anderen Quellen) unverändert in seinem Werk, dann wieder zerlegt er sie, um sie mit verschiedenartigen Ergänzungen zu verblüffenden Hybriden neu zusammenzubauen. Seit 2015 kombiniert er in seinen Werken auch Fragmente antiker Skulpturen mit zeitgenössischen Objekten oder mittelalterlichen Madonnen. Dabei werden die ursprünglichen Arbeiten oft verunstaltet oder unwiederbringlich verändert – ein Akt des Kulturvandalismus, der einerseits die Kolonialisierung widerspiegelt, andererseits Imperien und Kolonien über Zeit und Raum provokant miteinander verknüpft.
Fragmentierung und Neugestaltung spielt auch in Vos wohl bekanntestem Werk, We the People (2011–2016), eine wichtige Rolle. Die Replik der Freiheitsstatue von Frédéric-Auguste Bartholdi besteht aus etwa 300 einzelnen Kupfer-Segmenten im Maßstab 1:1 und wurde in China hergestellt. Ordnungsgemäß zusammengestellt würden sie eine Kopie des New Yorker Wahrzeichens in voller Größe bilden; das Projekt des Künstlers sieht jedoch vor, die Einzelteile stattdessen auf der ganzen Welt zu verstreuen.
Ohne belehrend zu sein, vermittelt Vos rätselhaftes und poetisches Werk eine starke politisch-ethische Haltung. Der Künstler untersucht Fragen der Identität und Zugehörigkeit, des rechtlichen Status, des Eigentums und der Rolle persönlicher Beziehungen und beleuchtet die Machtstrukturen hinter den Fassaden liberaler Gesellschaften sowie die Fragilität unserer Vorstellungen vom Leben im Nationalstaat.
wurde 1975 in Bà Rịa, Vietnam, geboren. Er lebt und arbeitet in Berlin und Mexico City. Seit 2017 dient der Güldenhof in Stechlin / Brandenburg mit seinen Wirtschaftsgebäuden und großen Grünflächen dem Künstler und anderen als Produktionsstätte und Lebensraum.