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Catherine Sullivan
The Chittendens. Separater Auftritt, mit Musik von Sean Griffin
7.7.2004 – 4.9.2005

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Catherine Sullivan, The Chittendens, Ausstellungsansicht, Secession 2005, Foto: Matthias Herrmann

Im Zentrum der Arbeiten von Catherine Sullivan steht die Befragung der Zwänge und Paradoxien theatralischer Repräsentation. Ihre Filmarbeiten, Theaterinszenierungen und requisitenartigen Skulpturen basieren auf der konkreten Erfahrung schauspielerischer Praxis und ihrer aus der Diskrepanz zwischen Rolle, Person und Körper erwachsenden schizoiden Struktur. Sullivans Interesse gilt den Formen der Kodierung von Ausdruck ebenso wie den Hilfsmitteln, die eingesetzt werden, um das Auftreten von SchauspielerInnen zu bestimmen und zu steuern. Anhand der Grammatik des Theaters gelingt es ihr so, kulturell verankerte Kodierungen der Gestik und Definitionsmuster des Selbst offen zu legen.

 

In der Secession wird Catherine Sullivan erstmals ihre neue Arbeit, The Chittendens, zeigen. Ausgangspunkt sind numerische Kompositionsstrategien und die Möglichkeiten ihrer Übertragung auf das Verhalten der DarstellerInnen. Die Strategien des Separierens, der Neukombination und Variation finden ihr Echo in der räumlichen Umsetzung der digitalisierten, auf 16mm gedrehten Filmarbeit. Zugeschnitten auf die Ausstellungsräume der Galerie zeigt Sullivan ihre Arbeit in Form einer 6-fachen Projektion.

 

 

Konkret hat Catherine Sullivan eine abstrakten Regeln folgende Choreografie entwickelt: Sie hat 16 SchauspielerInnen jeweils 14 einzelne Posen zugeordnet, die nach strengen Formeln interpretiert, auf ein numerisches Muster übertragen und rhythmisch in verschiedenen Tempi ausgeführt wurden. Inwieweit lassen sich Handlungen überhaupt, ähnlich wie bei einem Musikstück, in isolierte, quantifizierbare Einheiten zerlegen? Andersherum gefragt, inwieweit formen sich aus der willkürlichen Zusammenstellung separater Posen doch wieder Personen? Wie äußern sich Selbstbeherrschung und Entscheidungsfreiheit, eingebettet zwischen Widerstand und der Komplizenschaft mit den aufgetragenen Posen?

 

Die Reinheit des analytischen Ansatzes und die darin scheinbar eingeschlossene Objektivität koppelt Catherine Sullivan mit Verfremdungsverfahren zeitlicher und räumlicher Verschiebungen. So basieren die Kostüme auf den verschiedensten Stereotypen des 19. und 20. Jahrhunderts und bieten weder den SchauspielerInnen noch den BetrachterInnen Identifikation. Während Sullivan das Geschehen in früheren Arbeiten häufig in historische Situationen transferierte, basiert die Wahl der Schauplätze für diese Arbeit auf der Suche nach einer möglichst aufgeblähten Metapher für das Individuum. Im Zuge ihrer Recherche stieß Sullivan auf das Logo der dann titelgebenden Versicherungsfirma The Chittendens: ein einsamer Leuchtturm – wie andere maritime Motive ein häufiges Motiv in Zusammenhang mit der Selbstdefinition amerikanischer Unternehmen. Gedreht wurde daraufhin in einem weitgehend verlassenen Bürogebäude in Chicago, das ursprünglich die unterschiedlichsten Firmen beherbergte, und in einem kleinen Leuchtturm auf Poverty Island vor der Küste von Wisconsin.

 

Die Kostüme und Schauplätze fungieren als neue, arbiträre Beziehungssysteme für die separaten Auftritte. Sie erzeugen ein Auftürmen von Bedeutungen und Anhäufen von Gesten. Im Spannungsverhältnis zwischen dem Besonderen und dem allgemein Gültigen sind es dabei letztlich die Verhaltensregime selbst, die in ihrer historischen und kulturellen Prägungen sichtbar werden. Wo erschafft sich das Individuum als Eigenes, wo wird es über eine scheinbar persönliche Geste wieder in eine Gemeinschaft und eine Epoche eingeschrieben?




Künstler*innen
Catherine Sullivan

geboren 1968, lebt und arbeitet in Los Angeles.

Programmiert vom Vorstand der Secession


Vereinigung bildender Künstler*innen Wiener Secession
Friedrichstraße 12
1010 Wien
Tel. +43-1-587 53 07