Ayşe Erkmen
Kein gutes Zeichen
25.4. – 23.6.2002
In ihren Installationen übersetzt Ayşe Erkmen Leerstellen und offene Fragen, die Architekturen und Umgebungen hinsichtlich ihrer Intention, ihrer Logik und Funktion hinterlassen, in eine minimalistische Formengrammatik. Die mehrteilige Installation für die Secession greift die Trennung zwischen Eingangsbereich und Ausstellungsraum auf und setzt an der sich daraus ergebenden Spannung zwischen unterschiedlichen ideellen Momenten des Gebäudes und deren Umfeld an.
Im Mitteltrakt des Hauptraums bewegen sich über die Glasdecke helle Lichtbalken. Sie markieren die Unterseite von zwei Plattformen, die oberhalb der Decke des Ausstellungsraums montiert sind und normalerweise der Reinigung der Glasflächen dienen. In ihrer künstlichen Hervorhebung thematisieren sie eine Überschneidung von Illuminierung und Tageslicht, die die Ausstellungssituation bestimmt.
Während die Plattformen kontinuierlich, horizontal über die gesamte Länge des Raumes auf- und abgleiten, führt Erkmen links und rechts in den Seitentrakten eine zweite Bewegung ein. Zwei Videoprojektionen, ebenfalls aus dem Off auf die Glasdecke projiziert, zeigen jeweils einen weißen Kreis auf schwarzem Grund, der in einem variierenden Rhythmus aufblitzt. Die Impulse besetzen die Glasdecke einerseits mit Signalzeichen, andererseits verweisen sie auf Motive des frühen Avantgardefilms und seine Licht- und Wahrnehmungsexperimente, die durch die strukturelle Abstraktion ein anderes Sehen verfolgten.
Indem Erkmen in ihrer Installation die Aktion auf die Glasdecke und gleichzeitige Raumgrenze verlagert, konstruiert sie eine Situation, in der Elemente des Avantgardefilms und des White Cubes an einer ideellen und architektonischen Bruchstelle aufeinander treffen: der Mythos von einem neutralen Raum, die künstlerische Praxis, sich der Logistik und Bildsprache der kommerziellen (Film)Industrie zu verweigern, sowie die ökonomischen, gesellschaftlichen und politischen Implikationen von Repräsentationen über die Abstraktion in die ästhetische Erfahrung einzuführen. Parallel verlagert Erkmen das Motorengeräusch der fahrenden Plattformen in den Raum selbst und führt somit neben einer visuellen eine akustische Ebene ein.
Dieser Szenerie ist eine Diaserie im Foyer der Secession vorangestellt, die die Kreisform erneut aufgreift. Der Kreis, im Hauptraum offen und abstrakt, zeigt hier die Oberfläche von Kaffee, projiziert auf die Rosette oberhalb des Eingangs, einem zentralen Teil der vom Jugendstil geprägten Architektur. Die Aufnahmen, welche den Rand der Kaffeetasse aussparen, variieren in der Anordnung und Dichte der durch das Aufkochen entstandenen Schaumbläschen, die in der sukzessiven Abfolge der Projektion immer neue Formationen einnehmen.
Das Sujet des “Kaffees” im Eingangsbereich und die Installationen im Hauptraum bleiben in ihren gesellschaftlichen und historischen Implikationen mehrdeutig lesbar. Und sie provozieren in ihrer Kombination zueinander, in Relation zum Titel des Projektes, zu den sie umgebenden Innen- und Außenräumen oder auch in Bezug auf die Frage eines Transfers kultureller Erzählungen in einen Ausstellungskontext. Zugleich betont Erkmen in ihrer Arbeit die Zeitweiligkeit: das Ephemere einer Interpretation aber auch einer künstlerischen Praxis der ortsbezogenen Installation.
lebt und arbeitet in Berlin und Istanbul.