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Attila Csörgõ
2.12.2011 – 5.2.2012

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Attila Csörgõ, Occurence Graph I (triangle), 1998, Occurrence Graph II (circle), 1998, Occurrence Graph III (lemniscates), 1998, Installationsansicht, Secession 2011, Foto: Martin Ulrich Kehrer

Die fotografische, skulpturale und zeichnerische Arbeit des aus Ungarn stammenden Künstlers Attila Csörgő führt BetrachterInnen mit Humor und Ironie an naturwissenschaftliche und technologische Fragestellungen heran – mit oft unerwarteten, kurzweiligen und poetischen Ergebnissen. Wissenszweige wie Kinetik, Optik oder Geometrie erkundet der Künstler in kontinuierlichen Versuchsanordnungen, lotet damit Fragen der Wahrnehmung aus und entwickelt Gedanken über die Konstruktion der Realität.

 

Indem er etwa Bewegungsabläufe oder energetische Prozesse als Lichterscheinungen auf Fotografien bannt, macht er auf Grundlage wissenschaftlicher und mathematischer Berechnungen Phänomene sichtbar, die unter herkömmlichen Bedingungen für das menschliche Auge kaum oder gar nicht wahrnehmbar sind. Seine technologischen Arrangements setzt der Künstler häufig aus alltäglichen Gegenständen und Materialien zusammen und schärft mit seinen transparenten Systemen – Element für Element – das Verständnis für das Selbstverständliche.

 

“Der grundsätzliche Unterschied zwischen meiner Arbeit und der eines Ingenieurs ist, dass ich transparente Systeme baue”, hält Attila Csörgő über seine künstlerische Arbeit fest: “Außerdem lege ich meine Recherche – also den Prozess, der zum Ergebnis führt – offen. Nicht wie ein Computer oder andere technische Geräte, von denen wir nicht wissen, was sich im Inneren abspielt. Ich baue keine Blackboxes, sondern versuche, geschlossene Systeme bis zu einem gewissen Grad zu öffnen, auch wenn man die mathematischen Berechnungen und konzeptuellen Überlegungen, die dahinter stecken, nicht immer sieht. Die Verbindung von Kunst und Ingenieurswesen liegt bei meinen Arbeiten auf der Hand – dennoch bleibt das, was ich mache, auf alle Fälle im Bereich der Kunst angesiedelt.”

 

Bei der Arbeit Clock-work, die Attila Csörgő eigens für die Ausstellung in der Secession entwickelt hat und die er neben zahlreichen älteren Arbeiten in der Galerie zeigt, handelt es sich um ein experimentelles Uhrwerk, das eine Fortsetzung seiner Recherchen über die Kombination von Licht und Bewegung darstellt. An der Schnittstelle zwischen bildender Kunst und Naturwissenschaft rückt er die Lemniskate – die für die Unendlichkeit stehende Schleifen in Form einer liegenden 8, gleichermaßen konkretes mathematisches Symbol wie poetische Form – ins Zentrum seiner Auseinandersetzungen mit Phänomenen der Wahrnehmung. Er hat eine Art “Zeitmaschine” gebaut, die sowohl als Skulptur wie auch als räumliche Zeichnung, als bewegtes Bild oder einfach als wissenschaftliches Experiment gedeutet werden kann. “Wenn wir betrachten, was der Mensch im Lauf der Zeit hervorgebracht hat,” so der Künstler in einem Interview: “handelt es sich dabei meist um nur sehr flüchtige Erscheinungen. Die Formen der Mathematik hingegen sind relativ stabil, wenn nicht die stabilsten. Diese mathematischen Ideen haben – dank ihrer historischen Destillation – einen edlen Charakter. Das ist vielleicht auch ein Grund dafür, dass ich zur Konstruktion meiner Kunstwerke gerne “arme” Materialien benutze: So entsteht ein starker Kontrast zwischen flüchtigen Gedanken und konkreten Materialien.”

 

Ausgestellte Werke:
Die Occurrence-Graph-Serie beruht auf dem Ineinandergreifen kooperierender Funktionsgraphen. Auf zwei runden schwarzen Scheiben sind als durchbrochenes Muster scheinbar aussagelose Funktionsgraphen zu sehen. Die Scheiben überlappen einander so, dass ihre Schnittmenge die Form eines Pflaumenkerns hat. Das Licht der hinter den Scheiben angebrachten Lampe dringt nur dort durch das Muster, wo die Linien der Graphen kongruent sind. Die Apparatur kann mithilfe eines Elektromotors in Bewegung versetzt werden. Durch die Bewegung zeigt sich, dass die Graphen tatsächlich regelmäßige geometrische Formen bilden (Dreieck, Kreis, Lemniskate). Das so entstehende Phänomen spielt sich auf zwei oder genauer gesagt vier Ebenen ab: Die Drehbewegung ermöglicht die Interaktion zwischen den Funktionsgraphen auf den beiden Scheiben, die auf diese Weise gewissermaßen einen neuen Aggregatzustand erreichen. Das unbewegte und scheinbar nichtssagende Bild, das im Ruhezustand sichtbar ist, erhält durch die Rotation eine aussagefähige Gestalt, die jedoch nur scheinbar stabil ist, da sie nur sichtbar wird, wenn die Scheiben sich drehen.
(Attila Csörgő über seine Arbeiten, in: Gregor Podnar (Hg.), Attila Csörgő. Archimedian Point, gurgur editions, Ljubljana 2010)

 

Die Einzelabbildungen von Photo Tower und die sehr einfache räumliche Struktur des Versuchsaufbaus ermöglichen die Rekonstruktion der Wurfbahn eines Würfels. Die von einander gegenüberliegenden Standpunkten aus aufgenommenen Fotografien ergänzen sich gegenseitig und ergeben kontinuierliche Schaubilder. Legt man diese Schaubilder nun im virtuellen Raum und in Bezugnahme auf die Struktur des Turms übereinander, so ergeben die entsprechenden Schnittstellen der projizierten Ebenen ein Abbild der ursprünglichen räumlichen Kurve, die durch die Flugbahn des leuchtenden Punktes bestimmt wird. Auf diese Weise wird das Bild eines Bewegungsablaufs zur Skulptur eines Bewegungsablaufs.
(Attila Csörgő über seine Arbeiten, in: Gregor Podnar (Hg.), Attila Csörgő. Archimedian Point, gurgur editions, Ljubljana 2010)

 

 

Attila Csörgő über Clock-work: „Ich habe zwei konventionelle, analoge Wecker aneinandergebastelt. Die Uhrwerke der beiden Wecker sind so zusammengebaut, dass das Uhrwerk des einen den anderen antreibt. Das Ergebnis ist eine symmetrische Parallelbewegung. Einer der Zeiger bewegt sich im Uhrzeigersinn, der andere entgegen dem Uhrzeigersinn. Ich habe nur die Minutenzeiger verwendet.“
(Attila Csörgő über seine Arbeiten, in: Gregor Podnar (Hg.), Attila Csörgő. Archimedian Point, gurgur editions, Ljubljana 2010)

Slanting Water zeigt ein alltägliches Phänomen unter ungewöhnlichen Bedingungen. Ein mit Wasser gefülltes Glas auf einem Tisch ist ein ziemlich normaler Anblick. Die Wasseroberfläche (die Horizontale) und die Vertikale bilden die Grundlage unseres Koordinatensystems – die Mathematik spricht hier von der x- und der y-Achse. Während mathematische Koordinatenachsen jedoch verschoben werden können, ist unser alltägliches Koordinatensystem weniger flexibel. Slanting Water veranschaulicht ein mögliches Alternativsystem. Die Erklärung für das scheinbar unmögliche Phänomen liegt darin, dass der Tisch sich dreht, was auf dem Foto allerdings nicht sichtbar wird.
(Attila Csörgő über seine Arbeiten, in: Gregor Podnar (Hg.), Attila Csörgő. Archimedian Point, gurgur editions, Ljubljana 2010)

 

Spherical Vortex bildet den Pfad einer kleinen Glühbirne ab, der durch die Verbindung dreier Drehbewegungen verschiedener Geschwindigkeit entsteht. Ausgehend von einem einzigen Punkt dreht sich die Lichtquelle spiralförmig in einem wachsenden Radius und beschreibt so eine Kugel. Sobald das Licht an dem größten Radius angekommen ist, dreht sich die Spiralbewegung um und kehrt zum Ausgangspunkt zurück. Neben dem kinetischen Apparat werden vier Fotografien gezeigt, die mit unterschiedlicher Belichtung aufgenommen wurden, um den für das bloße Auge unsichtbaren Pfad des Lichts darstellbar zu machen.
(Attila Csörgő über seine Arbeiten, in: Gregor Podnar (Hg.), Attila Csörgő. Archimedian Point, gurgur editions, Ljubljana 2010)

 

Clock-work ist als illusionistischer Automat an der Grenze zwischen Hightech und Lowtech angesiedelt. Die Arbeit verbindet das ewige Streben, ein Perpetuum mobile zu bauen (darauf jedenfalls bezieht sich der am Symbol der Unendlichkeit entlang wandernde Zeiger), mit dem vertrauten Zauber der Laterna magica. In der Geschichte der Projektionsmedien haben die für die Darstellung von Raum oder Bewegung eingesetzten Doppelprojektionen eine besondere Bedeutung. Durch die transversale Projektion ein und desselben Gegenstandes gelingt Csörgő ein doppelter Laterna-magica-Effekt, bei dem die Illusion in der Fläche stärker wirkt als das räumliche Erlebnis.
(József Mélyi, “Die Unendlichkeit im Profil”, in: Attila Csörgő, Ausstellungskatalog, Secession 2011)

 

 




Künstler*innen
Attila Csörgõ

geboren 1965 in Budapest, wo er heute lebt und arbeitet.

Programmiert vom Vorstand der Secession


Vereinigung bildender Künstler*innen Wiener Secession
Friedrichstraße 12
1010 Wien
Tel. +43-1-587 53 07