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Atelier Bow-Wow
Suturing Together
12.9. – 16.11.2025

Atelier Bow-Wow, Momonoura Village, Miyagi, Japan, 2017, Foto: Tomo Ishiwatari

Atelier Bow-Wow, Momonoura Village, Miyagi, Japan, 2017, Foto: Tomo Ishiwatari

Atelier Bow-Wow wurde 1992 von Yoshiharu Tsukamoto und Momoyo Kaijima in Tokio gegründet; Yoichi Tamai kam 2015 dazu. Neben theoretischer Forschung und aufwändigen Architekturprojekten verwirklicht das Büro regelmäßig Ausstellungen und Diskursprogramme. Eine ähnliche interdisziplinäre Herangehensweise prägt die Geschichte der Wiener Secession, deren Gründer ganz im Geist des Gesamtkunstwerks die Idee der Verbindung verschiedener Kunstformen – Architektur, Musik und bildende Kunst – verfochten. Bis heute gehören dem Vorstand der Secession sowohl Künstler*innen als auch Architekt*innen an.

 

Atelier Bow-Wow ist vor allem für die Prägung des Begriffs Pet Architecture [Haustier-Architektur] bekannt. Gemeint sind damit kleinste Gebäude auf schmalen und unregelmäßig geformten Grundstücken in den Zwischenräumen der Stadtlandschaft. Kennzeichnend für diese in die Lücken zwischen bestehenden Bauten eingeschobenen Bauwerke sind kreative Lösungen, Pragmatismus und ein Ethos der Nachhaltigkeit. Ein Hauptprinzip in Atelier Bow-Wows Erkundung der Beziehung zwischen Menschen und ihrer gebauten Umwelt bilden die Wiederverwendung am Bauplatz gefundener ungenutzter Ressourcen – ob natürliche Materialien oder weggeworfene Gegenstände – und die Schaffung von Gemeinschaft durch die Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort. Am Anfang der Projekte des Büros stehen stets die spezifischen Materialien und Netzwerke, die an einem gegebenen Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Verfügung stehen.

 

Im Mittelpunkt ihres Ansatzes steht der Begriff „Suturing“, der auch den Titel der Ausstellung bildet. To suture bedeutet „nähen“ oder „flicken“. In ihrem Manifest der Suturist*innen schreiben Yoshiharu Tsukamoto, Fuminori Nousaku und Norihisa Kawashima – Mitglieder und Mitwirkende des Architekturbüros Atelier Bow-Wow:

 

„Wir nähen

Wir trennen nicht Subjekt und Objekt, Sein und Beziehung, sondern verbleiben in ihrem vermischten Zustand und nähen dieses Netzwerk selbst zusammen.

Wir nähen

Wir werden von dem gemacht, was wir machen, und wir gestalten die Umwelt, in der wir leben. Wir nähen auf der Grundlage dieser Rekursion von Selbst und Umwelt.

Wir verkünden dies der Welt.“ 

 

Atelier Bow-Wow entwirft eine Form der Architektur, die die Grundlage für mit der Natur harmonierende Beziehungen und Umgebungen schafft. Ihre Vision beruht auf einem achtsamen Umgang mit örtlichen Ressourcen und einem tiefen Blick für die Netzwerke, in die Architektur eingebunden ist.

 

Diese Herangehensweise spiegelt sich auch in der Intervention im Eingangsbereich der Secession wider, wo Atelier Bow-Wow direkt auf die Architektur des Gebäudes antworten – nicht im Sinne einer Konfrontation, sondern als behutsame Aneignung. Eine Wand ist vollständig mit Schilfrohr verkleidet, ein Verweis auf Reetdächer, eine traditionelle Technik mit Wurzeln in Baukulturen verschiedener geografischer und historischer Landschaften. Schilf ist ein besonders nachhaltiges und umweltfreundliches Material. Für die Installation wurde in Österreich hergestelltes Reet von einem örtlichen Spezialisten fachkundig verarbeitet. Im Geiste der Wissensvermittlung und des kollektiven Lernens wird im Zusammenhang mit der Ausstellung ein Workshop mit einem ausgebildeten Reetdachdecker stattfinden.

 

Im Grafischen Kabinett wird ein historischer Überblick über dreißig Projekte von Atelier Bow-Wow in Form von Fotografien, Architekturzeichnungen und Skizzen gezeigt, die die wichtigsten Herangehensweisen und Methodologien des Büros veranschaulichen. Eine zentrale Strategie ist die Zusammenarbeit mit anderen. Ein frühes Beispiel dafür ist der Beitrag zu einem Wettbewerb in der Präfektur Kumamoto aus dem Jahr 1992. Dort wurde gemeinsam mit einer örtlichen Forstvereinigung ein kleiner Kiosk für den Verkauf vor Ort angebauten Gemüses gestaltet. Das Gebäude besteht aus Holzbalken und -rahmen gefüllt mit gestampftem Erdboden vom Acker. Dieser Weg, Architektur zusammen mit den Menschen der Region und mit lokalen Materialien und Techniken zu schaffen, war grundlegend für spätere Unternehmungen.

 

Ein wichtiger Aspekt von Atelier Bow-Wows Praxis ist die Katastrophenhilfe. Nach dem Großen Erdbeben in Ost-Japan im Jahr 2011 zum Beispiel tat das Büro sich mit anderen Architekt*innen zusammen, um fünf Tage nach der Katastrophe eine Wiederaufbauhilfeplattform namens ArchAid ins Leben zu rufen.

 

Ein weiterer Ort, der eine bedeutende Rolle in Atelier Bow-Wows Wirken spielt, ist das etwa neunzig Autominuten vom Zentrum von Tokio entfernte Dorf Kamanuma. Hier wird Reis im Rahmen eines Modells der kollektiven Eigentümerschaft angebaut. Das Dorf ist in einem Satoyama gelegen, einer traditionellen japanischen Form bäuerlicher Landschaft, in der die Landwirtschaft im Gleichgewicht mit den Regenerationsvermögen der Natur steht. Hier sind Feldbau, Waldwirtschaft und Bauwesen nicht hierarchisch voneinander getrennt, sondern in einem komplexen Gewebe gegenseitiger Abhängigkeiten miteinander verknüpft. Als Bestandteil des von Yoshiharu Tsukamoto geleiteten Tsukamoto Laboratory hauchte das Projekt nicht nur dem Satoyama-Prinzip neues Leben ein; eine der ersten gemeinschaftlichen Aktionen war die Wiederherstellung des Reetdachs auf einem alten Bauernhaus. Die Lehrenden und Studierenden der anschließend eingerichteten Satoyama School of Design (SSD) arbeiten jetzt mit vier Universitäten zusammen, um brachliegende Felder zu rekultivieren, die Landschaft zu bewahren, bestehende Bauten herzurichten und Tiny Houses aus zufällig gefundenen Materialien wie wiederverwendbaren Gebäudeteilen, entsorgtem Mobiliar oder umgestürzten Bäumen zu bauen.

 

Für Atelier Bow-Wow ist Architektur nicht statisch, sondern ein lebender Teil eines größeren Netzwerks, in dem Dinge, Menschen, Nachbargebäude, Wetterbedingungen und ortsspezifische Dynamiken aktiv auf den Gestaltungsprozess einwirken. Architektur wird als vitaler Knotenpunkt in einem größeren Ökosystem gedacht. Die Arbeiten des Büros versuchen, der wachsenden Entfremdung zwischen Menschen, Dingen und der natürlichen Welt – einer durch die kapitalistische Wachstumsideologie beschleunigten Entwicklung – entgegenzuwirken. Im Kern zielt diese Praxis auf eine grundsätzliche Frage: Wie können Architektur und Gesellschaft im Licht eines ökologischen Wandels neu gedacht werden?

 

Ausstellungsdesign: Momoyo Kaijima, Yoshiharu Tsukamoto und Yoichi Tamai (Atelier Bow-Wow)

Mitwirkende: Tazuru Harada, Penelope Gregoire (Lehrstuhl für Architectural Behaviorology, ETH Zürich, Schweiz)

Großzügige Unterstützung wird bereitgestellt durch die Obayashi Foundation. 

Schilfdach-Workshop

Samstag, 13.9.2025, 11 Uhr

 

Dieser Workshop ist als Zusammenarbeit zwischen Momoyo Kaijima von Atelier Bow-Wow und dem Schilddachdecker Jacobus van Hoorne konzipiert. Gemeinsam werden sie die Teilnehmenden dabei begleiten, mit der Herstellung architektonischer Strukturen und dem Schilfdachdecken als nachhaltige Baupraxis zu experimentieren. Der Workshop basiert auf dem langjährigen Community-Engagement des Studios und die produzierten Elemente werden in den Kontext der Ausstellung integriert. 

Video

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Künstler*innen
Atelier Bow-Wow

Architekturbüro aus Tokio, gegründet 1992

Programmiert vom Vorstand der Secession

Kuratiert von
Haris Giannouras
Damian Lentini

Vereinigung bildender Künstler*innen Wiener Secession
Friedrichstraße 12
1010 Wien
Tel. +43-1-587 53 07