Anne Hardy
21.9. – 25.11.2012
Ich möchte Fotos machen und dadurch etwas ganz anderes schaffen als die reine Realität.
"Die britische Künstlerin Anne Hardy konstruiert lebensgroße, detailreiche Kulissen, für die sie zumeist Fundstücke von der Straße und aus Second-Hand-Läden arrangiert. Das Ergebnis dieser Arbeitsprozesse ist jeweils ein einziges Foto, werden doch die Installationen anschließend wieder demontiert. In ihrer ersten Einzelausstellung in Österreich zeigt Anne Hardy in der Secession zwölf Fotografien aus den letzten fünf Jahren, darunter sechs neue Arbeiten.
Die fotografischen Bilder thematisieren Fragestellungen der Illusion und der Imagination, mithilfe derer BetrachterInnen eine Beziehung zur Welt herstellen. Während in älteren Arbeiten wie Cipher (2007) die Illusion von Räumlichkeit häufig durch bühnenbildartige, abgeschlossene Räume dargestellt wird, erzeugen Arbeiten wie Rift (2011) oder Rehearsal (2010) die räumliche Struktur durch den Einsatz von Spiegeln. Die Spiegel betonen den frontalen Blick während sie zugleich Teile des Raums zeigen, die der Kamera sonst verborgen blieben. Zeichnungen und gemalte Kulissen verleihen diesen Bildern eine weitere illusionistische Ebene. In Script (2012) und The Method / THE DETAILS (2012) geht Anne Hardy hinsichtlich der Schaffung eines Illusionsraums noch einen Schritt weiter. Diese Bilder zeigen Oberflächen, deren Flachheit das bestimmende Merkmal ist, wo jedoch Wörter und handgeschriebene Notizen mehrere Bedeutungsebenen hinzufügen, die gelesen und interpretiert werden wollen.
Die Arbeiten sind voll von Spuren menschlicher Präsenz und Aktivität: Wortschnipsel von Zeitungsausschnitten an Wänden, wie etwa in The Method / THE DETAILS (2012), Federn und Gewichte in Cipher (2007) und aus Kassetten heraus gelöste Videobänder und Schrift in Playback (2012). Über ihre Arbeitsmethoden meint Anne Hardy: „Der Prozess ist sehr plastisch und materiell. Jeder Raum wird durch eine Art Ringen mit den Materialien erschaffen, und die Kamera erzeugt eine Arena, in der das passieren kann. Ich erschaffe einen Raum imaginativ und physisch, indem ich die mehrdeutigen Qualitäten der unterschiedlichen Materialien und Objekte nutze, mit denen ich arbeite.“
Die verschachtelten Ausstellungsräume im Untergeschoß der Secession sind ideal für die Präsentation der Arbeiten von Anne Hardy: Ohne Blicköffnung zur Außenwelt verstärkt der reale Raum die luftdichte Abgeschlossenheit der fiktiven Räume; Grundrisse und subtile Adaptionen erlauben es, die einzelnen Werke individuell wahrzunehmen und Blickachsen zu dirigieren.
Anne Hardy bezieht sich in ihren Arbeiten auf Klassifikations- und Ordnungssysteme. Die Kulissen, die sie baut verweisen auf informelle Architektur, im Besonderen auf die gewachsenen und anpassungsfähigen Architekturformen, die in dichten Ballungsräumen anzutreffen sind. Auch die Literatur ist für sie eine wichtige Referenz. In dem die Ausstellung begleitenden Künstlerbuch etwa finden sich Auszüge aus Romanen von Haruki Murakami, Stanislaw Lem, Raymond Carver, Bret Easton Ellis und Tom McCarthy. Die erste literarische Passage, die Hardy im Künstlerbuch zitiert, ist aus J.G. Ballards Roman Die Betoninsel. Was sie an diesem Text so begeistert, ist symptomatisch für ihr Interesse an der Literatur ebenso wie für ihre Arbeiten: „Die Stelle beschreibt den Moment, in dem der Protagonist seine normale Welt verlässt, eine Parallelwelt betritt und unsichtbar wird. Das ist die Art von Raum, die mich bei meiner Arbeit fasziniert; er ist da, gleich neben dir, und du siehst ihn nicht. Das ist vielleicht der Raum, von dem man sich vorstellt, dass er existiert.“
geboren 1970 in St. Albans (UK), lebt und arbeitet in London.