menü
de / en

Andrea Geyer
Parallax
18.9. – 16.11.2003

https://secession.at/items/uploads/images/1661940687_PHamQrKssf5.jpeg
Andrea Geyer, Parallax, Ausstellungsansicht, Secession 2003, Foto: Andrea Geyer

Andrea Geyer inszeniert soziale Interaktionen oder Navigationen durch (Stadt-)Räume als Orte der Produktion von Kultur und Quellen unserer Erfahrungen. Die Arbeiten, in die fiktionale Elemente und theoretische Referenzen, Interviews sowie breit angelegte Recherchen einfließen, verfolgen dabei das Interesse, Identitäten nicht als statische, fixierte Bilder, sondern als bewegliche Konfigurationen zu verdeutlichen. In ihren Rauminstallationen geht es auch darum, in diverse sprachliche und visuelle Kontroll- und Regulierungsmechanismen zu intervenieren.

 

Für die Secession entwickelte Andrea Geyer das Projekt Parallax. Die Inszenierung von Parallax erinnert an die Atmosphäre eines Klassenzimmers. Vor einer Projektionswand in Reihen aufgestellte Stühle bieten den BesucherInnen Platz, um einem Diavortrag zu folgen. Acht aufeinander abgestimmte Projektoren erzeugen auf der Leinwand acht parallele Bilder, die in Sequenzen nacheinander auftauchen oder sich zu einem Bild zusammensetzen.

 

Das Projekt umkreist die Themen Stadt, Nation und Staatsbürgerschaft und deren Rolle in der Erschaffung von individuellen und staatlichen Handlungsräumen am Beispiel der Vereinigten Staaten.

 

Die Dias vereinen Fotografien, Textausschnitte aus Zeitungen und Presseagenturen sowie inszenierte Bilder, die eine Protagonistin begleiten. So wie die Fotografien eine Referenz zu einem bestimmten Wissen herstellen, das etwas über die Funktionsweise der Orte aussagt, verbildlicht die Einführung der anonymen Protagonistin exemplarisch das Verhältnis des Individuums zur Medieninformation, zum Staat und seiner Politik. In gewisser Weise verkörpert ihre Figur auch die Fragestellung, wie sich antizipatorische und emanzipatorische Praktiken handelnder Subjekte zu realen politischen Zusammenhängen verhalten.

 

Textausschnitte aus amerikanischen Medien wie der New York Times und The Associated Press dokumentieren die aktuelle Diskussion um konstitutionelle Grundrechte der Demokratie, Migrationsprozesse, Rassismus und die zunehmende Militarisierung der Wirtschaft und Kultur der Vereinigten Staaten. Die Nachrichten gehen häufig über die eigentliche Mitteilung von Ereignissen hinaus und zeigen sich in der Anordnung Andrea Geyers als Mechanismen und Orte der Selektion, Interpretation und Manipulation von Informationen. Parallax stellt die Frage, wo und wie der konservativen Reformulierung/Kanalisierung von Nationalität und nationaler Identität andere räumliche Modelle entgegengesetzt werden können.

 

Die Fotografien, alle in den USA aufgenommen, zeigen, neben den inszenierten Szenen mit der Protagonistin, Demonstrationen gegen das Gebaren amerikanischer Politik, gegen die U.S. Invasion in den Irak, aber auch Demonstrationen gegen die mit den außenpolitischen Aggressionen einhergehenden innenpolitischen Verschärfungen wie beispielsweise den Veränderungen des Einwanderungsgesetzes bzw. der schleichenden Neudefinition der Rechte von StaatsbürgerInnen. Fotografien von administrativen Situationen wie Gerichtssälen, Wartehallen, Bibliotheken, aber auch der wachsenden Präsenz staatlicher Exekutive wie Militär und Polizei in amerikanischen Städten vervollständigen die Erzählung von der Widersprüchlichkeit der US-Kultur. Die gegenwärtige US-Politik und ihr Ausdruck in den Medien stehen exemplarisch für globale Tendenzen und dienen Andrea Geyer zur Herstellung einer kritischen, emanzipatorischen Distanz.

Geyer behandelt dabei Dokumentation gleichwertig zu Fiktion. Die Zeitungstexte sind gleichberechtigt zu den Fotografien in den Diafolgen untergebracht. In Parallax verschiebt die Künstlerin noch stärker als in früheren Arbeiten (z.B. Interim, Manifesta 4) die narrative Ebene in die visuelle. So entsteht ein Informationsgewebe, das in der Verbindung aller Teile eine Metaebene der Information herstellt. Mit diesem Ansatz offenbart die Künstlerin die Idee der Objektivität des Dokumentarischen als Illusion und demaskiert dieses Konzept als Teil von Repräsentationspolitiken.

 




Künstler*innen
Andrea Geyer

geboren 1971 in Freiburg, lebt und arbeitet in New York

Programmiert vom Vorstand der Secession


Vereinigung bildender Künstler*innen Wiener Secession
Friedrichstraße 12
1010 Wien
Tel. +43-1-587 53 07