


Ana Vaz
Meteoro
8.3. – 18.5.2025
In ihren Filmgedichten collagiert die Künstlerin und Filmemacherin Ana Vaz Bilder und Klänge, die um Gewalt und Unterdrückung, um die Auswirkungen ökologischer Verwüstung und die anhaltende Kolonisierung der Erde kreisen. Die Dekonstruktion der großen Erzählung von der westlichen Moderne, die sich weite Gebiete unseres Planeten unterwirft, bildet den Kern ihres filmischen Werks.
In ihrer Ausstellung in der Secession zeigt Vaz ihre neue Filmreihe Meteoro (2023–). Europäische Städte – der Fokus liegt auf Paris und Porto – erscheinen so, als würden sie kurz vor dem Kollaps stehen oder auf ihren Untergang zurasen.
Die Filmserie ist in Zusammenarbeit mit der Tuareg und Forscherin Maïa Tellit Hawad, dem aus Guadeloupe stammenden französischen Autor Olivier Marboeuf und der portugiesischen Künstlerin Isabel Carvalho entstanden. In drei Kapiteln wird eine kritische Anthropologie des heutigen Europa skizziert, um den Negativabdruck eines auf koloniale Gewalt, Vertreibung und Verschwendung gegründeten Imperiums offenzulegen. Die auf kontraststarkem Schwarzweißmaterial gedrehten Filme nehmen die Form einer fiktiven Archäologie an. Dabei entsteht eine „Gegen-Ethnografie“, wie sie die Künstlerin nennt, in der die Wahrzeichen und Infrastrukturen der westlichen Welt wie in einem Spiegel verdoppelt und gebrochen erscheinen.
Im ersten Kapitel, Paris, St Lazare, verwebt Maïa Tellit Hawad ihren apokalyptischen Text „Sahara Mining: The Wounded Breath of Tuareg Lands“ mit den Gedichten ihres Vaters, des Tuareg-Dichters Hawad und lässt einen Dialog der Generationen entstehen. Wir hören auch die Stimmen des karibischen Eisenbahnwartungstechnikers David Terriat und von Olivier Marboeuf, Autor des Textes „Déesse“ [Göttin], dessen Lyrik uns auf einer halluzinativen Reise durch das ins Chaos stürzende Paris begleitet.
Die Bilder nehmen ihren Anfang am Bahnhof Saint-Lazare, der die Stadt mit dem Hafen von Le Havre verband, von dem wiederum der Verkehr zwischen Festlandfrankreich und den Westindischen Inseln und beiden Amerikas abging. Wir sehen Tierskelette und Kristalle, die im Museum für Naturgeschichte bewahrt werden, Zootiere, Reproduktionen von Höhlenmalereien, aber auch Müllwerker*innen und Eisenbahnarbeiter*innen. Die Stadt ist wegen eines von Reinigungskräften aus Protest gegen die jüngste Rentenreform ausgerufenen Generalstreiks von Müllbergen umringt.
In den zwei folgenden Kapiteln, Os Últimos Habitantes [Die letzten Bewohner] und Déesse [Göttin], entfaltet sich ein radikaler Wandel vom Sehen zum körperlichen Erfahren. Die Kamera gewinnt eine eigene Subjektivität. Wir sehen Bilder von einem Schrottplatz, von Meer und Himmel, die kopfüber stehen. Gustave Eiffels berühmte Ponte Maria Pia verwandelt sich in einen rasanten Strudel.
Meteoro rückt einen Chor von Stimmen an die Stelle einer einzelnen Erzähler*in; invertierte und ineinander verschmelzende Bilder vermitteln nicht einen hegemonialen Blick, oder wissenschaftliche Objektivität, sondern lassen Fragmente und Details hervortreten, die gerade in ihrer Orientierungslosigkeit die Möglichkeit alternativer Narrative aufscheinen lassen.
Vaz ist überzeugt, dass das Kino das Denken dekolonisieren kann. Ihre Filme provozieren und hinterfragen das Medium als die Kunst eines körperlosen Beobachters, der die Welt von oben betrachtet und den Zuschauer*innen die „Wahrheit“ offenbart. Stattdessen dreht Vaz ihre Filme mit einer Kamera, die nie in Ruhe, nie stabil ist. Anstelle des rationalen Subjekts der westlichen Moderne trägt der sinnliche Körper mit seiner Intuition und seinen Affekten Vaz’ filmische Gegenerzählungen. Wie die Künstlerin es formuliert: „Ich versuche, daran festzuhalten, dass dieser Körper, diese Welt alles ist, was wir haben, und dass wir mit unserem Körper auch unser Zur-Welt-Gehören verleugnen. Diese Verleugnung ebnet den Weg für die Zerstörung unserer Welt, die sich heute in schwindelerregender Geschwindigkeit vor unseren Augen
vollzieht.“
geboren 1986 in Brasilia, lebt in Paris