


Ramin Haerizadeh, Rokni Haerizadeh und Hesam Rahmanian
How exquisite this darkness is, how vivid its brilliance, and how piercing its light!, 2024
Acryl, Gesso und Epoxid auf wasserfesten MDF-Platten
630 x 500 cm
Courtesy die Künstler und Galerie Krinzinger, Wien
Dieses Gemälde erforscht das Konzept des „schwarzen Lichts“ in der islamischen Philosophie und stellt arabische Buchstaben als Pinselstriche dar, die Zitate von Ibn Arabi und Ayn al-Quzat Hamadani einbeziehen. Diese Texte thematisieren das Sehen über das Sichtbare hinaus, um in der Dunkelheit tiefere Wahrheiten zu entdecken. Die Buchstaben verwandeln sich in fantastische Kreaturen, inspiriert vom Text Aja'ib al-Makhluqat (Wunder der Geschöpfe) aus dem 13. Jahrhundert. Das Werk führt uns von kriegszerstörten mesopotamischen Sümpfen und durch vom Ölabbau gezeichnete Regionen bis zu einer Golfküste, an der die Körper von Tourist*innen wie Tofu in der Sonne des Fortschritts gebraten werden. Seltsame Kreaturen, deren Knochen aus arabischen Buchstaben bestehen, reiten auf ausgestreckten Fingern und verkörpern die Menschen, die unterwegs sind.
Das Werk ist tief im kollektiven Gedächtnis der Künstler und in der Exilliteratur von Autoren wie Shahriar Mandanipour und Gholam-Hossein Sa'edi verwurzelt. Ein Zitat verdeutlicht die Schwere des Exils und die Unvergänglichkeit der Erinnerung: „Ich lebe in einem zwei mal zwei Meter großen Raum. Jedes Mal, wenn ich ihn betrete, fühlt es sich an, als würde ich diesen Raum wie einen Mantel tragen.“
Der Akt des Verbergens des Körpers in einem Bunker oder das Eingeschlossensein im Exil ist der Grund für die Verwendung von „Dastgah“, einer selbst entwickelten Strategie. Diese umfasst einen tragbaren Behälter, der den Körper der Künstler*in minimiert und verbirgt, während er ihn in eine Malmaschine verwandelt, die die Bewegung einschränkt und die Sicht verdeckt.
„Dastgah“ ermöglicht es dem Trio, sich von Intentionalität zu lösen. Zur Vorbereitung verwandelten sie ihren Wohnraum in einen „seltsamen Raum“, der mit verstörenden Artefakten gefüllt ist – Familienfotos wurden durch Bilder von Soldaten ersetzt, Stühle durch Rollstühle, Wände mit Schwimmwesten bedeckt und Wärmedecken als Vorhänge genutzt.
Diese begrenzte Umgebung trägt zur Entwicklung der tragbaren Behälter bei. Durch diese Einschränkungen werden Objekte wie schiitische Trauerkleider, Jalabiya-Gewänder, Palmwedel und Ölpumpen zu zentralen Elementen der Malmaschine, die rohe, primordale Pinselstriche erzeugt. Diese Striche werden später von den Künstlern – wie Geomanten mit Pinseln an langen Stöcken – entziffert und verwandeln sich allmählich in fantastische Kreaturen, die aus arabischen Buchstaben bestehen.
Ramin Haerizadeh, Rokni Haerizadeh und Hesam Rahmanian
From Sea to Dawn, 2016/17
Einkanalvideo, Farbe, ohne Ton, 5:51 min.
Courtesy die Künstler und Galerie Krinzinger, Wien
From Sea to Dawn – eine alternative Perspektive auf die europäische Flüchtlingskrise – stellt eine Intervention in fotojournalistische Bilder von Migrant*innen dar, indem die Geflüchteten als Naturgewalt inszeniert werden, als Körper, die aus dem Wasser aufsteigen, um Europa zu durchqueren. Lebendiges und Nicht-Lebendiges verschmelzen zu außergewöhnlichen Gebilden, die menschlichen und nicht-menschlichen Formen ähneln und den Gesetzen der Physik – Schwerkraft, Festigkeit und Bewegung – trotzen. Diese Gebilde fügen sich auf unerklärliche Weise zu einer Reihe mehrdeutiger Elemente zusammen.
Die Künstler verhandeln diese Transformationen mithilfe von Spiegelungstechniken, inspiriert von der islamischen Kultur, Architektur und Geometrie. Sie definieren den Körper in einem subvertierten Kontext neu, der den gewohnten mediengestützten Darstellungen und Analogien entgegensteht. Dieser transformative Blick entfaltet sich in einer unbestimmten Zone, in der der Rhythmus und Puls der Bilder neue Empfindungen wecken. Körper und Nerven werden in einen veränderten Zustand der Empathie versetzt, der die Flüchtlingskrise auf ungewohnte Weise erfahrbar macht.
From Sea to Dawn ist somit ein „bewegtes Gemälde“ – eine Montage, in der jedes einzelne Bild als eigenständiges Gemälde fungiert, ohne die Bewegungen des Ausgangsmaterials direkt nachzuzeichnen. Durch Unterbrechung und Verzerrung zielt das Werk darauf ab, das Vertraute zu transformieren und zu entfremden, um ein Hindernis zu schaffen, das die Betrachtenden dazu anregt, das Thema aus einer neuen Perspektive zu betrachten und um andere Emotionen zu wecken.
In der künstlerischen Praxis von Ramin Haerizadeh (geb. 1975, Teheran, IR), Rokni Haerizadeh (geb. 1978, Teheran, IR) und Hesam Rahmanian (geb. 1980, Knoxville, USA) ist Produktion untrennbar mit Performance verbunden. Dabei wird Performance als kollektive Handlung verstanden, die Tanz, Kunst und Politik vereint. Das Trio erforscht Modelle der Zusammenarbeit und übersetzt diese in vielfältige Formen, die oft Künstler*innen und Menschen aus unterschiedlichen Lebensbereichen einbeziehen. Ihre Arbeit schafft ein selbsttragendes kreatives System, das hinterfragt, wie man Ästhetik gleichzeitig aufbauen und untergraben kann – stets politisch prägnant, humorvoll, großzügig und exzentrisch. Ihre Praxis wird häufig als Landschaft beschrieben, in der die komplexe Natur ihrer Arbeitsweise in ein ineinandergreifendes System integriert ist. Ihr Zuhause dient als vielseitiges Studio, Filmset, Kino, Museum und Forschungszentrum. Dieser Raum ist zentral für ihr Schaffen, das sowohl auf kollektiven als auch auf individuellen Anstrengungen beruht. Die Künstler verstehen sich nicht als feste Gruppe oder Kollektiv und haben keinen spezifischen Namen oder Label. Ihre Praxis entwickelt sich oft in Zusammenarbeit mit anderen Künstler*innen und Freund*innen.