Philippe Decrauzat
29.2. – 13.4.2008
Mit seinen Wall Paintings, Filmen, Skulpturen, Malereien und Installationen operiert Philippe Decrauzat inmitten des Erbes künstlerischer Abstraktion des 20. Jahrhunderts. Er bedient sich der Formensprache des russischen Konstruktivismus ebenso wie der visuellen Effekte der Op Art oder der reduzierten Geometrien des Minimalismus. Was seine Arbeiten auszeichnet, ist jedoch ihr Anspruch auf eine gewisse kritische Distanz zu all diesen Stilen. Decrauzat verfolgt damit eine gänzlich andere Perspektive auf die Moderne als dies auf einen ersten Blick offensichtlich wird.
Seine künstlerische Praxis ist auch eng mit den Methoden und Theorien der experimentellen Filmkunst verbunden, ebenso wie sie mit der Popkultur oder der Kinematografie des Science Fiction korrespondiert. Die Kraft seiner Arbeiten liegt vor allem in einer „Verdichtung“ des modernen Sehens. Jenseits der modernistischen Logik des Optischen fokussiert Decrauzat mit dem Auge ein Instrument, das lange Zeit aus dem Diskurs dieser Epoche verdrängt wurde.
Für die Galerie der Secession hat Philippe Decrauzat ein Ausstellungskonzept entwickelt, das seinen Hauptakzent auf die Verbindungen und Übergänge zwischen den einzelnen Ausstellungsräumen legt und das als Metapher für eine Gleichgewichtung der diversen Bereiche bzw. Epochen der Kunstgeschichte zu verstehen ist.
Im Kreuzraum präsentiert Decrauzat seinen neuen Film After Birds (2008), für den er Stills aus dem Trailer von Alfred Hitchcocks Die Vögel digital neu arrangiert hat. Der Film kreist um eine Idee von Paranoia, die sich sowohl in physisch-realer Gewalt als auch in einer rein subjektiven Wahrnehmungsverschiebung äußern kann. Ein zentrales Thema, das sich in der Ausstellungsarchitektur widerspiegelt, ist das „Fade in / Fade out“ im Sinne einer Ankündigung oder Vorahnung, die sich erst im Laufe des Films bestätigen kann oder wird.
Im Kontrast zu dieser Präsentation steht die reduzierte Installation im hell gehaltenen Zwischenraum, mit welcher Decrauzat auf verschiedene herausragende Topoi bzw. Ereignisse der modernen Kunst anspielt, beispielsweise auf die von Marcel Duchamp herausgegebene Dada-Review The Blind Man von 1917 oder auf Joseph Beuys’ Performanceaktion Coyote von 1974, deren zentrales Symbol in beiden Fällen ein Stock ist.
Im Galerieraum wiederum geht es Decrauzat um eine abstrakte Idee von Bewegung und um die Frage, wie diese paradoxerweise völlig statisch zur Darstellung kommen kann. So bezieht sich die gerasterte Skulptur explizit auf eine Bewegungsfotografie von Eadweard Muybridge, der seine physiologischen Experimente unter anderem mit Vögeln durchgeführt hat. Speziell für diesen Kontext hat Decrauzat auch die Skulptur Structure aus zwei ineinander geschachtelten Rahmen entwickelt, die ein Format des Display aufgreifen, welches für Propagandazwecke benutzt wurde. Decrauzat sieht hier jedoch von jeglichen Inhalten ab und stellt, wenn auch in leicht verzerrter Form, nur die zu Grunde liegende Struktur zur Schau, die unter anderem an den Platzhalter X erinnert. Im Wesentlichen aber gibt die Skulptur den Blick frei auf eine raumfüllende Wandmalerei, die, basierend auf dem Moirée-Effekt, mit Verschiebungen und Überlagerungen der Wahrnehmung spielt. Während die Skulptur bzw. der Rahmen gewissermaßen „leer“ bleibt, zeichnen sich die Bilder wie flüchtige Vorstellungen an der Wand ab.
geboren 1974 in Lausanne, lebt und arbeitet in Lausanne.