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David Claerbout
Diese Sonne strahlt immer
3.5. – 17.6.2012

https://secession.at/items/uploads/images/1661858068_gAqIykv0q2h.jpg
David Claerbout, Diese Sonne strahlt immer, Ausstellungsansicht, Secession 2012, Foto: Wolfgang Thaler
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Traditionell kommt das museale Licht von außerhalb der Kunstwerke – und macht dadurch die Kontemplation dieser Kunstwerke erst möglich. Im Museum herrscht in der Regel ein perfekter Tag, auch wenn es sich um einen künstlichen Tag handelt. Die Medienkunst – in Form von Video- oder Kinoinstallationen – hat dagegen die große Nacht und die Dämmerung ins Museum gebracht

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Boris Groys, Katalogessay “Film im Kunstraum

Als Sujet für die Einladungskarte zu Diese Sonne strahlt immer in der Secession wählt der belgische Künstler David Claerbout einen relativ unspektakulär scheinenden Schnappschuss: Rodins Eva in der Eingangshalle der Bauhaus-Universität Weimar, aufgenommen im blendenden Gegenlicht. Diese Fotografie, die neben sieben filmischen Arbeiten im Hauptraum zu sehen ist, steht emblematisch für die erste Einzelausstellung von David Claerbout in Österreich: Mittels des Kunstlichts lässt er das in seinen Arbeiten thematisch tragende Sonnenlicht strahlen. Der völlig abgedunkelte Hauptraum ist lediglich durch das Licht der Videoprojektionen beleuchtet, das im silbernen Boden reflektiert und so nochmals zurückstrahlt. “Meine Faszination galt nicht so sehr der Intensität des Sonnenlichts, sondern der Tatsache, dass ein relativ schwaches Projektorlicht die Erinnerung an eine Lichtintensität vermitteln kann, die das Auge schmerzt. Dieses einfache Phänomen beweist, dass wir teilweise über unsere Erinnerung wahrnehmen.” (David Claerbout)

 

Dennoch referiert der Titel auf eine Werbung für Infrarot-Solarien aus den 1930er-Jahren, die der Künstler in Edvard Munchs Archiv gefunden hat. Die Annonce steht für den Triumph des elektrischen Lichts über das natürliche. Ersteres ist jederzeit verfügbar, und nicht zuletzt ist es die technische Basis für Claerbouts künstlerische Arbeit: Das Licht als Träger für Belichtung und Projektion. Zum Protagonisten der in der Secession gezeigten Videoprojektionen macht der Künstler allerdings das Tageslicht, als Indikator für Zeit.

 

Heute, so David Claerbout, wären die einst gegensätzlichen Charakteristika von Film (= Bewegung) und Fotografie (= der eingefrorene Moment) nicht mehr so klar. Und das ist der Moment, an dem er seine eigene Philosophie erarbeite. David Claerbout manipuliert Zeit, indem er die Grundlagen der Medien Fotografie und Film für beides einsetzt: So animiert er etwa Fotografien digital und nimmt ihnen damit die Statik – verwiesen sei hier u. a. auf die sehr bekannte Arbeit Kindergarten Sant’Elia, 1932 aus dem Jahr 1998 und das Internetprojekt Present (2000). Oder aber er entzieht dem Film das Moment der Bewegung: Durch die Verlangsamung von menschlichen Bewegungen im Gegensatz zur Beschleunigung eines Tageslichtablaufs in Long Goodbye (2007), mittels der ins Unerträgliche gesteigerten Wiederholung derselben Sequenz im Bogen zwischen Sonneauf- und -untergang in Bordeaux Piece (2004), durch die filmische Aneinanderreihung von Fotos, die dieselbe Szene wieder und wieder, allerdings aus einer anderen Perspektive zeigen, wie etwa in The Quiet Shore (2011) und The Algiers’ Sections of A Happy Moment (2008), beides Arbeiten, in der eine “Animation der Zeit, im Sinne der Belebung” stattfindet. Beim Foto, so David Claerbout, habe man die Sicherheit eines vergangenen Moments; die Zeit, die man mit Betrachtung des Fotos verbringe, sei die Versicherung der Gegenwart. In The Quiet Shore und The Algiers’ Sections of A Happy Moment gebe das fotografische Werk seine Exklusivität auf, die Vergangenheit zu verkörpern, der Film wiederum seine Exklusivität, für das Hier und Jetzt zu stehen, so David Claerbout.

 

Wer sich einen stringenten Handlungsablauf erwartet, wird enttäuscht: “In meinen Arbeiten ist das Erwartungsmuster gestört. (…) Cinematografische Erlösung wird vermieden, und ein erzählerischer Strang kommt nicht zustande.”* Vielmehr erzählen folgende ProtagonistInnen die Geschichten: Die Träger der Medien Fotografie und Film, also Zeit und Licht, Musik sowie Komposition, versinnbildlicht durch die (moderne) Architektur. Letztere steht auch oft im Gegensatz zur sehr präsenten Natur, etwa in The Stack (2002) oder in der schon erwähnten Arbeit Bordeaux Piece.

 

David Claerbout beschäftigt sich intensiv und lange mit seinen Arbeiten. Oft fotografiert oder filmt er das Originalsetting, in das er später die in der Blue Box aufgenommenen menschlichen ProtagonistInnen montiert. Und viel Zeit erfordert auch die Betrachtung seiner Arbeiten. Aber dafür ginge man ja ins Museum, in ein Ausstellungshaus: “Ich habe das Glück, meine Arbeiten an Orten ausstellen zu können, wo man die tickende Uhr der vergehenden Zeit nicht hören kann. Darum geht man doch ins Museum: zurückzuschauen.” Und das ist David Claerbouts wichtigstes Werkzeug als Filmemacher: “nicht der Film, sondern die Erinnerung.”*

 

* David Claerbout im Gespräch mit Inka Graeve Ingelmann., in: uncertain eye, Ausstellungskatalog, Pinakothek der Moderne, München 2010.




Künstler*innen
David Claerbout

geboren 1969 in Kortrijk (Belgien), lebt und arbeitet in Antwerpen und Berlin.

Programmiert vom Vorstand der Secession


Vereinigung bildender Künstler*innen Wiener Secession
Friedrichstraße 12
1010 Wien
Tel. +43-1-587 53 07